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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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gesagt, dass du diese Stadt in deinen Träumen besucht hast? Vielleicht hast du auch dieses Haus schon einmal gesehen?«
    Sie waren an einem kleinen Gebäude mit auffälligen Steinmetzarbeiten angekommen, das Teil einer stark zerstörten Häuserzeile war. Der Türsturz war mit verschlungenen Ornamenten geschmückt, die ein verwirrendes Muster bildeten. Bloße Verzierungen mochten diese Zeichen sein, und doch glaubte Timon, etwas Vertrautes in ihnen zu erkennen. Auch an den Ecken des Gebäudes waren verzierte Steine in das Mauerwerk eingearbeitet.
    »Dieses Haus?« Timon musterte das kleine Gebäude mit zunehmender Verwirrung. »Ja, ich kenne es. Es ist … ich … ich habe davon geträumt.«
    »Erinnere dich«, sagte Grimstan. »Hast du nicht auch von Danira geträumt? Hast du sie vielleicht gesehen, hier in diesem Haus?«
    »Ja, sie war hier«, sagte Timon. Er stand im Eingang des Gebäudes und lehnte sich mit einer Hand an den Türrahmen. Seine Augen hatte er geschlossen. »Ich habe ihr das Schwert gezeigt – das magische Schwert. Ich wusste, dass sie es erhalten muss.«
    »Und die Tafel, die du in der Hand hältst – hat sie nicht auch etwas mit diesem Haus zu tun?«
    »Ja, sie hat lange Zeit hier in diesen Mauern gelegen. Ich selbst habe sie beschriftet, vor langer Zeit. Ich wollte die, die nach mir kommen, vor der Gefahr warnen, die uns allen droht.
    Wenn böses Auge leuchtet,
Thaur-Angoth sich regt,
der Wächter wird verdüstert,
mit dunklem Bann belegt.
    Dämonen werden kommen,
aus der Schattenwelt befreit.
Dämonen werden kommen,
aus lang vergang’ner Zeit.
    Sie fürchten nur das Feuer,
von Aeon einst entfacht,
die Hüter soll’n euch dienen,
euch schützen in der Nacht.«
    Angst und Verwirrung lagen in Timons Blick, als er sich zu Grimstan umwandte. Die Hand, in der er die Knochentafel hielt, zitterte.
    »Grimstan, was geschieht mit mir? Ich bin doch noch nie hier gewesen. Warum kenne ich all dies? Und warum kann ich diese Inschrift lesen, obwohl die Zeichen mir fremd sind?«
    »Sei ohne Furcht«, sagte der alte Mann. »Schließe deine Augen wieder, und wehre dich nicht gegen die Erinnerungen, die in dir erwachen. Alles ist gut … lass deinem Geist freien Lauf … erinnere dich …«
    Der Junge folgte Grimstans Anweisungen und stützte sich wieder an den Türrahmen. Die beschwörende Stimme des alten Mannes legte sich wie eine schützende Hand über seine Gedanken – und Timon erinnerte sich. Vor seinen geschlossenen Augen sah er das Haus, wie es einmal gewesen war, die Fassade sauber und intakt, das steile Giebeldach ordentlich mit Ziegeln belegt. Hinter der Eingangstür lag ein kleiner Vorraum, dann kam das Studierzimmer mit dem großen Schreibtisch und Stößen von Pergamenten.
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte der Junge. »Ich habe hier gelebt – hier in diesem Haus. Dort hinten war mein Studierzimmer. Nebenan habe ich geschlafen und gegessen. Unter dem Dach war noch ein Arbeitszimmer. Es war ein schönes Haus. Auch in der Nachbarschaft standen schöne Häuser. Arn, der Schneider, wohnte nebenan und auch Harkean, der Küfer, und so viele andere. Und dann kam die Vernichtung, plötzlich, ohne Vorwarnung. Überall war Feuer, Menschen liefen brennend über die Straße. Ihre Schreie waren schrecklich. Ich lief in mein Arbeitszimmer, um … ich weiß nicht mehr, was ich dort suchte. Ich wollte einen Schutzzauber weben, doch dann traf ein schwerer Schlag mein Haus. Das Dach stürzte ein, und ein Balken traf mich. Ich … es wurde dunkel um mich … ich bin … ich war tot. Wie ist das nur möglich? Bitte, Grimstan, hilf mir.«
    »Du musst keine Angst haben. Du hast gerade zu dir selbst gefunden – zu deinem früheren Leben. Denn du warst Gerugrim, der große Magier. Sein Wissen und seine Erinnerungen sind in dir.«
    »Aber wie kann das sein? Was ist mit meinem jetzigen Leben? Bin ich nicht Timon, der Sohn von Dorban?«
    »Doch, du bist Timon.« Grimstan legte seine Hand auf die Schulter des Jungen, der erschrocken zusammenzuckte. »Aber Gerugrim ist ein Teil von dir. Ein Teil, den du erst entdecken musst, und der dich vielleicht manchmal erschrecken wird. Nutze das Wissen, das in dir schlummert, denn es gehört dir – es sind deine Erinnerungen. Nutze sie, aber bleibe trotzdem Timon, denn dir ist ein neues Leben geschenkt.«
    »Aber was bedeutet das?« Immer noch stand Angst in die Augen des Jungen geschrieben. »Du hast gesagt, dass die Alten ihren Geist von Körper zu Körper übertragen

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