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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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hatte das Schiff wieder nach Osten gelenkt. Als die Sonne sich bereits tief über das Meer gesenkt hatte, war am östlichen Horizont die Küste des Landes aufgetaucht. Nach zwei Tagen der Irrfahrt hatte Halfas sie aus den Wolken des Sturms heraus genau in Sichtweite ihres Zieles geführt.
    Die Silhouette zweier Berge markierte weithin sichtbar die Hafeneinfahrt von Car-Gonaredh. Ein letztes Mal waren sie vor Anker gegangen, um sich den Untiefen der Küste im Licht des nächsten Tages zu nähern. Die Schatten der Dämmerung verdichteten sich, und schon sah Jandaldon in der Ferne die Lichter des Hafens funkeln. Car-Gonaredh lag vor ihnen, eine der beiden Hafenstädte, die all die Jahre seit der Verwüstung des Südkontinents überstanden hatten.
    Jandaldon summte eine leise Melodie vor sich hin – die Melodie seines Liedes. Er würde es nun ändern müssen, zumindest den Teil mit den Drachen. Aber wie sonst sollte es enden? Tod im ewigen Feuer? Immerhin wäre dann doch noch das alte Ende zu verwenden.
      
    Der Sänger starb im Feuer,
es bleibt nur dieses Lied.
Sagt ihr, die ihm einst teuer,
dass er für sie verschied.
      
    Warum nicht? Doch auch andere Möglichkeiten kamen in Betracht. Tod im See des reinsten Wassers? Tod im elementaren Eis? Wäre auch ein Tod durch Stein oder Luft möglich? Es würde eine Weile dauern, alle Möglichkeiten zu überdenken. Er würde die Entscheidung davon abhängig machen, welcher Tod den besten Reim ergab. Obwohl er für eine Weile überlegte, kamen keine geeigneten Verse in seinen Sinn.
    »Morgen ist unsere Reise zu Ende.«
    Die Stimme des Kapitäns, der sich leise genähert hatte, ließ Jandaldon aus seinen Gedanken aufschrecken.
    »Meine Männer denken, dass ich ein Zauberer bin«, sagte Halfas, und ein selbstzufriedenes Grinsen lag auf seinen Lippen. »Kein anderer Kapitän hätte sein Schiff so sicher durch diesen Sturm geführt.«
    »Deine Männer mögen sich irren«, erwiderte Jandaldon. »Es war Firions Wille, dass ich diese Stadt erreiche, also hat er uns hierhergeführt.«
    »Du bist nicht leicht zu beeindrucken.« Halfas lachte fröhlich. »Es reut mich nicht, dass ich dich auf diese Reise mitgenommen habe. Der Sturm hat in der letzten Nacht fast unser Schiff zerschmettert, aber du warst ruhiger als die meisten an Bord. Kennst du keine Furcht?«
    »Furcht?«, fragte Jandaldon. »Was sollte ich fürchten? Lange Zeit habe ich vergeblich den Tod im Drachenland gesucht. Die Drachen haben mich nicht verschont, damit ich nun im kalten Meer versinke. Freilich könnte man ein Lied darüber machen – die Wogen des Meeres, das Tosen des Sturms – es ist allerdings nicht der Tod, den ich mir vorstelle.«
    »Glaubst du wirklich, dass Firion deine Vorstellungen berücksichtigen wird, wenn er dich dereinst zu sich ruft?«
    »Vielleicht wird er sich nicht nach meinen Wünschen richten, trotzdem wird es ein Tod sein, der ein Lied wert ist. Und es erscheint mir unwürdig, mit diesem alten Kahn im Meer zu versinken.«
    »Ich beginne wirklich, dich zu mögen.« Wieder lachte der Kapitän. »Dem letzten Mann, der meinen Sturmvogel einen alten Kahn genannt hat, habe ich die Nase gebrochen. Aber vielleicht hält Firion wirklich seine Hand über dich – es will mir einfach nicht gelingen, dir böse zu sein.«
    »Es war auch nicht meine Absicht, dich zu kränken«, sagte Jandaldon. »Der Sturmvogel ist ein wackeres kleines Schiff. Jeder ehrbare Kapitän würde stolz sein, mit ihr unterzugehen.«
    »Ja, das wäre ich wohl. Und doch – wenn der Sturmvogel wirklich einmal sinken sollte, wäre ich noch glücklicher, wenn ich mich an Land retten könnte.« Halfas wandte sich dem Sänger zu und legte eine Hand auf dessen Schulter. »In ein paar Tagen werde ich wieder Kurs nach Norden setzen. Willst du nicht mit uns die Rückreise antreten? Du wirst an Bord dieses Schiffes immer willkommen sein.«
    »Ich danke dir, Halfas. Aber ich denke, mein Schicksal liegt jenseits dieser Küste. Morgen werden sich unsere Wege trennen.«
    »Nun, wenn dies unser letzter gemeinsamer Abend ist, dann lass uns den Abschied gebührend feiern. Die Nacht ist noch jung, und ich kenne eine Hafenschenke dort drüben, wo es den besten Schnaps und die schönsten Mädchen gibt. Ich lasse das Beiboot klarmachen, und wir wollen an Land rudern.«
    *
    Jandaldon zögerte, bevor er seinen Fuß auf das Land des Südkontinents setzte. War dies wirklich das Land voller Wunder, das er sich erhofft hatte? Auf den ersten Blick

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