Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
erschien Car-Gonaredh eine Hafenstadt wie jede andere zu sein, doch auch im schwindenden Abendlicht war zu erkennen, dass ein großer Teil der Hafenbefestigungen zerfallen war. Nur wenige Schiffe lagen an den Anlegestellen vertäut. Zwei Männer saßen auf der Hafenmauer, einen Krug zwischen sich, aus dem sie abwechselnd tranken. Jandaldon hörte sie lachen und scherzen – auch sie unterschieden sich nicht von den Menschen, die der Sänger aus dem Norden kannte. Oder waren dies vielleicht wirklich Männer aus dem Norden – Seeleute, die wie er selbst nur zu Besuch in Car-Gonaredh waren? In Gedanken versunken folgte Jandaldon dem Kapitän des Sturmvogels, der sich zielstrebig auf eine Hafenschenke zubewegte. Licht und Lärm drangen durch die offenen Fenster nach draußen, strömten ihnen wie eine Woge entgegen, als Halfas die Tür öffnete.
    Im Inneren der Schenke drängten sich die Gäste an schmutzigen Tischen, auf denen sich Krüge und Platten mit Essensresten stapelten. Auch aufreizend gekleidete Frauen saßen dazwischen und scherzten mit den durstigen Seeleuten. Die schrille Musik einer Flöte und der Rhythmus einer Trommel erhoben sich über das Stimmengewirr der lärmenden Gäste. Auf einer erhöhten Plattform tanzte eine junge Frau, bekleidet nur mit bunten Schleiern, die um sie herumwirbelten, wenn sie sich im Takt der Musik drehte. Nichts unterschied diesen Ort von anderen Hafenschenken, die der Sänger zuvor betreten hatte.
    Halfas schritt zielstrebig durch die Menschenmenge auf einen Tisch zu, an dem noch einige Stühle frei waren. Schon auf dem Weg blieb er kurz bei einer der Schankmägde stehen, um Getränke für sich und seinen Gefährten zu ordern. Bald standen große Krüge mit Bier vor Halfas und Jandaldon, und der Kapitän lachte und scherzte mit anderen Männern, die am gleichen Tisch saßen. Der Sänger ließ sich von der allgemeinen Heiterkeit nicht anstecken, und die meiste Zeit blickte er nachdenklich in sein Bier.
    »Warum so traurig?«, fragte Halfas. »Schmerzt dich der Abschied von mir und dem Sturmvogel? Du hast dein Bier kaum angerührt.«
    »Ich bin nicht traurig – doch ich denke schon daran, welche Wunder mir der morgige Tag wohl bringen wird.«
    »Warum schon jetzt an morgen denken?« Mit den Augen folgte Halfas einer jungen blonden Frau, die sich ihrem Tisch näherte, und er zog sie rasch auf seinen Schoß, als sie vorübergehen wollte. »Erst liegt noch eine Nacht vor uns. Gibt es hier nicht genügend Wunder für die Zeit bis zum nächsten Morgen?«
    »Ich suche nicht nach dieser Art von Wundern.« Nur für einen Moment blickte Jandaldon zu der schönen Frau hinüber, die sich spielerisch gegen die Zudringlichkeiten des Kapitäns zur Wehr setzte. »Du weißt, was mein Ziel ist.«
    »Ja, du hast mir gesagt, wonach du suchst. Und ich habe dir gesagt, dass du verrückt bist.« Halfas lachte und flüsterte der Frau auf seinem Schoß etwas ins Ohr. Sie erhob sich und ging in Richtung auf die Theke davon.
    »Warum vergisst du nicht für eine Weile deinen unsinnigen Kummer und genießt den Augenblick?« Mit einem festen Griff fasste der Kapitän den Arm des Sängers. »Warum trinkst du nicht? Warum erfreust du dich nicht an der Schönheit der Frauen?«
    »Es gibt nur eine Frau, die ich jemals wirklich geliebt habe.« Jandaldon nahm einen Schluck aus seinem Krug. »Und auch Wein und Bier bringen weder Heilung noch Glück, sondern nur Vergessen für eine Nacht.«
    »Nun, wenn du weiter so langsam trinkst, dann wirst du in dieser Nacht noch nicht einmal das finden.« Grinsend blickte Halfas der Frau entgegen, die mit einer kleinen Tonflasche auf sie zukam. Er nahm die Flasche und zog ihren Korken mit den Zähnen heraus, bevor er sie dem Sänger reichte.
    »Wenn eine Nacht des Vergessens alles ist, was ich dir zum Abschied als Geschenk machen kann, dann will ich wenigstens dies tun.«
    »Du bist wirklich ein guter Freund.« Jandaldon griff nach der Flasche und rümpfte die Nase, als er den scharfen Geruch der Flüssigkeit wahrnahm. »Lass uns also trinken auf das Vergessen«, sagte er und nahm einen tiefen Zug. Mit verzerrtem Gesicht reichte er die Flasche an Halfas zurück.
    »Nein, nicht auf das Vergessen will ich trinken. Ich trinke auf die Freundschaft, und Freundschaft kennt kein Vergessen.« Der Kapitän trank einen Schluck aus der Flasche und stellte sie auf den Tisch zurück. »Du hast mich einen Freund genannt. Wenn du also noch in der Lage bist, neue Freunde zu finden, warum

Weitere Kostenlose Bücher