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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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solltest du nicht auch neue Liebe finden – und ein neues Leben?«
    *
    Gerugrim kontrollierte noch einmal alle Komponenten der Apparatur. Das magische Fluidum siedete geheimnisvoll schimmernd in einem Glaskolben, unter dem eine kleine Flamme brannte. Rötlicher Dampf stieg auf und zirkulierte durch gläserne Röhren. Im Zentrum der Apparatur ruhte der blaue Kristall in seiner silbernen Fassung. Der blaue Kristall, kostbarster aller Edelsteine, erfüllt von einer magischen Kraft, die nicht in diese Welt gehörte. Alles war bereit. Die Apparatur stand im Obergeschoss des Hauses, und durch die geöffnete Dachluke war der sternenübersäte Himmel zu sehen. Schon drang Eril-Firions Licht in die Dachkammer hinein: ein helles Viereck auf dem Boden des Zimmers, das sich unendlich langsam der Apparatur näherte.
    Ein blasses Leuchten war in dem Kristall erwacht, ein Echo auf Eril-Firions Licht, aber eigenständig, pulsierend, lebendig. Timon dachte an die Schriften, die er gelesen hatte – uralte Pergamente aus einer Zeit, an die sich heute niemand mehr erinnerte. Von den Grenzen zwischen den Welten hatten diese Schriften berichtet und davon, wie man sie überwinden konnte. Von magischen Kristallen war die Rede gewesen, Kristallen, die selbst nicht aus dieser Welt stammten – Kristallen, die Schlüssel waren zur verbotenen Welt der Götter. War auch der blaue Kristall ein solcher Schlüssel? Was würde geschehen, wenn er wirklich das Tor zu einer verborgenen Welt öffnete?
    Gerugrim blickte zum Himmel hinauf, zu Eril-Firion, der bald im Zenit stehen würde. Schon war das Leuchten des Kristalls auf den Dampf des Fluidums übergegangen, pulsierte durch die Röhren der Apparatur. Das Strahlen wurde stärker, nahm alle Farben des Regenbogens an. Es war soweit: Eril-Firions Licht berührte den Blauen Stein. Ein Blitz zuckte auf, als die Leitungen der Apparatur barsten. Glassplitter flogen umher, doch Gerugrim beachtete sie nicht. Das flüssige Licht des Fluidums breitete sich aus, verwandelte sich in einen leuchtenden Nebel, der den ganzen Raum ausfüllte. Obwohl die Nachwirkungen des Blitzes noch als Schemen vor Timons Augen tanzten, beobachtete er, wie seltsame Dunstschwaden sich in der Mitte des Raumes verdichteten. Ein menschlicher Umriss formte sich aus dem Licht heraus, eine Gestalt, die Gerugrim den Rücken zukehrte. Langsam verflog der Nebel, nur das Licht Eril-Firions blieb zurück, das hell auf silberne Haare und ein silberweißes Gewand schien.
    »Wer bist du?«, fragte Gerugrim, doch er erhielt keine Antwort. Langsam wandte die Gestalt sich um, zeigte ihr Gesicht, das weder männlich noch weiblich wirkte. In der Hand hielt sie ein Schwert mit einer schlanken, schimmernden Klinge.
    »Wer bist du?«, fragte Timon noch einmal, und wieder gab der Fremde keine Antwort. Das einzige Geräusch, das der Junge hörte, war der ferne Klang von Kriegspfeifen.
    *
    »Es ist soweit«, sagte Grimstan und legte eine Hand auf Timons Schulter. Die Berührung riss den Jungen aus seinem Traum, und verwirrt schaute er um sich. Sie waren in einer der unterirdischen Kammern, die zu Tarics Wohnbereich gehörten. Nur eine Kerze spendete ihnen Licht, und es gab keinen Hinweis darauf, wie spät es war. Der Klang der Kriegspfeifen, der sich in Timons Traum gedrängt hatte, war immer noch zu hören. Gorm erschien unruhig und erregt, und er keckerte leise.
    »Gerade dämmert der Morgen«, sagte Grimstan, als ob er die Gedanken des Jungen erraten hätte. »Es ist, wie wir es vermutet hatten. Gweregons Soldaten haben für ihren Angriff den Sonnenaufgang abgewartet. Lass uns an unseren Platz gehen.«
    Eilig verabschiedete Timon sich von seinem Arath, denn Gorm sollte im Keller des Hauses bleiben, wo Tarics Familie und ein paar Freunde sich verschanzen würden. Grimstan führte den Jungen den Korridor entlang und eine Treppe hinauf, die in die oberen Stockwerke des Hauses führte. Entgegen Grimstans Ratschlag hatte Timon darauf bestanden, sich an der Verteidigung des Hauses zu beteiligen, denn er hatte ein vages Gefühl, dass er – oder Gerugrim – einen Beitrag zu dem Kampf würde leisten können. Schließlich hatten sie sich darauf geeinigt, den Kampf von den oberen Stockwerken aus zu beobachten.
    Unterwegs begegneten sie anderen Männern und auch Frauen, alle bewaffnet mit Jagdbogen, Messern oder einfachen Knüppeln. Sie trafen auch Deryn, der zusammen mit den vier Soldaten aus Car-Carioth einen der beiden Zugänge zum Innenhof des

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