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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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aber es verweilt nicht immer am gleichen Ort. Es ist ein faszinierendes Schauspiel, wenn es vom Wind getrieben über das Land hinwegzieht. Wollt Ihr ein Lied darüber singen?«
    »Ja, ich bin dabei, ein Lied zu ersinnen. Ich hoffe, dass ich es vollendet haben werde, wenn ich das ewige Feuer finde, denn in seinen Flammen will ich sterben. Schon seit Jahren suche ich den Tod. Die Drachen haben ihn mir verwehrt, also hoffe ich, ihn hier zu finden.«
    »Ihr seid gekommen, um hier zu sterben?« Die Miene der Frau verdüsterte sich. »Erwartet Ihr wirklich von mir, dass ich Euch in Euren Tod führe?«
    »Nun, wenn Ihr mich nicht führen wollt – vielleicht gebt Ihr mir wenigstens einen Rat, wo ich suchen soll?«
    »Nein, ich kann Euch keinen Rat geben.« Der Blick der Frau blieb ernst. »Das ewige Feuer lässt sich nicht von jedem finden. Es hat seinen eigenen Willen, und es sieht in die Herzen der Menschen. Vielleicht wird es …« Erst nach kurzem Zögern sprach sie weiter. »Vielleicht wird es Euch meiden, wenn es Euren Wunsch erkennt. Morgen werde ich ins Landesinnere aufbrechen. Wenn Ihr dies wollt, so könnt Ihr mich begleiten.«
    »Und Ihr werdet nicht versuchen, mich daran zu hindern, in das Feuer zu gehen?«
    »Nein, ich werde Euch nicht hindern. Wenn das Feuer sich Euch zeigt, so steht es Euch frei, alles zu tun, was Euch beliebt. Bedenkt aber auch die Möglichkeit, dass das Feuer Euren Wunsch nicht erfüllt. In diesem Fall werden wir etwa drei Wochen lang durch das Öde Land reisen, bevor wir die Seestadt erreichen. Bringt genügend Vorräte mit, um diese Zeit zu überstehen.«
    »Das werde ich«, sagte Jandaldon. »Und ich danke Euch für Eure Hilfe.«
    *
    Die provisorische Schmiede war am Rand des alten Hafens von Car-Elnath aufgebaut worden, wo keine Mauern die Sicht nach Westen und Osten behinderten. Zersprungene Pflastersteine, zwischen denen allerorten bräunliche Grasbüschel hervorsprossen, bildeten den Untergrund der ausgedehnten Fläche. Eine lose zusammengefügte Ummauerung aus regelmäßig geformten Steinen umgab die Feuerstelle, in der die Glut eines Kohlenfeuers waberte. Im Westen stand die Sonne dicht über dem Meer, eine glühende Straße aus Licht schien über das Wasser zu ihr hinzuführen. Gerade rechtzeitig für den Zauber hatte sie sich aus einer ausgedehnten Wolkenbank gelöst, und nun tauchte sie die Mauern der Stadt in ihr rötliches Licht. Am östlichen Horizont kündete ein silberner Schimmer vom Nahen Eril-Firions.
    Tirandor und Gerric verharrten gemeinsam mit einigen Drachenrittern in respektvollem Abstand, wo sie in erwartungsvoller Stille das Geschehen verfolgten. Auf der nahen Stadtmauer hatten sich Taric und ein paar andere Gesetzlose postiert und überwachten von dort aus die Umgebung.
    Nur Timon und Grimstan standen an der Schmiede, wo die Glut des Feuers die drückende Hitze des Sommerabends noch verstärkte. Der Junge genoss die Wärme, denn seit er die Macht der Seth-Rune beschworen hatte, war die eisige Kälte noch immer nicht vollständig von ihm gewichen. Einen halben Tag lang war er bewusstlos gewesen, und als er wieder erwacht war, hatte er sich an ein Traumland erinnert, durch das er gewandelt war – ein Land voller Eis und Schnee. Immer wieder hatten sich diese Bilder während der letzten beiden Tage in Timons Geist gedrängt, und auch jetzt, trotz der Wärme des Feuers, fühlte er, dass diese Welt nicht fern von ihm war. Und noch mehr wirre Gedanken jagten sich im Kopf des Jungen. Bilder von Kampf und Blut verfolgten ihn und die Schreie von Verwundeten und Sterbenden. Wenn die Erinnerungen an den Kampf in Tarics Haus ihn heimsuchten, wünschte er sich fast in die Stille der Eiswelt zurück. Denn es war eine friedliche Welt, eine Welt ohne Leben – und wo es kein Leben gibt, gibt es auch keinen Kampf, keinen Krieg, keinen Tod. Ein Wirbel von Funken zog seine Aufmerksamkeit auf die Schmiede zurück, und er sah, dass Grimstan den großen ledernen Blasebalg betätigte, um das Feuer weiter anzuheizen. Das Amulett lag vor ihm in der Glut der Kohlen, leuchtete in einem eigenen Licht. Ein kurzer Blick nach Osten zeigte dem Jungen, dass Eril-Firion den Horizont überschritten hatte.
    »Jetzt«, sagte er. »Es ist soweit.«
    Grimstan ergriff das Amulett mit einer Zange und nahm es aus der Glut heraus. Es leuchtete immer noch, als es vor Timon auf einem der flachen Steine der Ummauerung lag. Die Rune war mit einem stählernen Draht umwickelt, in dessen Windungen auch das

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