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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Landwirtschaft lebten und genügend Nahrung erzeugten, um Tauschhandel mit den Bewohnern von Car-Gonaredh zu betreiben. Ohnehin war der größte Teil der Stadt verlassen und leer. Nur im Hafenviertel lebten noch Menschen, viele von ihnen Fischer oder Seeleute.
    Über das Landesinnere gab es nur verzerrte Berichte von den wenigen Reisenden, die hin und wieder in Car-Gonaredh eintrafen. Von einer Stadt erzählte man Jandaldon, deren Häuser völlig intakt waren aber nur noch von den Geistern ihrer früheren Bewohner heimgesucht wurden. Vier oder fünf Tagereisen sollte sie entfernt sein, immer an dem großen Fluss entlang, der bei Car-Gonaredh ins Meer mündete. Und noch viel weiter im Osten lag der geheimnisvolle See, in dem es eine Stadt mit vielen Menschen gab. Viel wurde über diese Stadt berichtet – über ihre Häuser, die auf Pfählen im Wasser errichtet waren, über die mächtigen Zauberer und Priester, die dort wohnten, und über den Goldenen See selbst, der dem Vernehmen nach mit den merkwürdigsten Fischen und anderen Wesen bevölkert war.
    Der weite Weg zwischen Car-Gonaredh und der Seestadt bedeutete allerdings eine gefährliche und entbehrungsreiche Reise. Es würde kein großes Problem sein, unterwegs den Tod zu finden. Gerüchte gab es genügend über die Gefahren, die in dem Öden Land lauerten. Viele sprachen von der Magie der Elemente, die den gesamten Kontinent durchsetzte, aber manche erwähnten auch Ul’ur, flüsternd und hinter vorgehaltener Hand. Jandaldon erinnerte sich an Tirandors Bericht über dieses Wesen – was damals jedoch wie ein bloßes Märchen erschienen war, hatte nun an Substanz gewonnen durch die unbestimmte Furcht in den Stimmen der Erzähler. Wie sollte ein einzelner Mann zu Fuß und auf sich allein gestellt dieses merkwürdige Land durchwandern? Immer wieder stellte Jandaldon sich diese Frage, und doch wunderte er sich über sich selbst, denn als er vor langer Zeit ins Drachenland aufgebrochen war, hatte er nicht so lange gezögert. Was sollte er schon befürchten? Einen Tod, der kein Lied wert war? Spielte es wirklich eine so große Rolle, wie er seinem unseligen Leben ein Ende setzte?
    Widerwillig gestand Jandaldon sich ein, dass Halfas der Grund war, wegen dem er seine Abreise bisher verzögert hatte. Immer noch weilte der Kapitän des Sturmvogels in der Stadt, und Jandaldon empfand ein Gefühl der Freundschaft für diesen Mann, dessen er sich selbst nicht mehr für fähig gehalten hatte. Auch an diesem Abend lenkte Jandaldon seine Schritte wieder zu dem Anlegesteg, wo der Sturmvogel vertäut lag. Die Matrosen an Deck grüßten den Sänger freundlich, als dieser ohne zu zögern die schmale Planke überschritt, die auf das Schiff führte. Jandaldon fand den Kapitän damit beschäftigt, das Vertäuen von Kisten im Laderaum zu überwachen. Als Halfas des Sängers gewahr wurde, stieg er eilig die Leiter zum Deck empor.
    »Sei gegrüßt, mein Freund«, sagte er, als er Jandaldon in die Arme schloss. »Du siehst, mein Lagerraum ist gefüllt. Morgen werde ich aufbrechen – willst du nicht doch mit mir kommen?«
    »Nein«, antwortete der Sänger. »Mein Schicksal rief mich hier in dieses Land. Auch ich muss morgen weiterziehen. Viel zu lange habe ich schon gezögert.«
    »Nun, dann ist heute also endgültig der Tag unseres Abschieds.« Halfas legte eine Hand auf Jandaldons Schulter. »Lass uns noch einmal gemeinsam die Tavernen des Hafens besuchen – wir wollen unseren letzten Abend mit einigen Bieren begießen.«
    Ohne zu widersprechen, ließ der Sänger sich von Bord des Schiffes führen. Der Weg war nicht weit, und schon bald hatten sie die Taverne erreicht, in der sie sich auch bei ihrem ersten Besuch des Hafenviertels vergnügt hatten. Obwohl der Abend noch jung war, hatte sich in dem Schankraum bereits eine lustige Gesellschaft versammelt. Bereitwillig rückten die Seeleute an einem der Tische enger zusammen, um für den Kapitän und seinen Gefährten Platz zu schaffen. Es dauerte auch nicht lange, bis Krüge mit Bier vor den beiden Männern standen, und Halfas nahm sofort einen tiefen Zug.
    »Trink, mein Freund«, sagte er. »Oder willst du den Abend heute lieber gleich mit Schnaps beginnen?«
    »Nein. Heute suche ich nicht den Rausch. Ich will mein Bier trinken, aber die Erinnerung an diesen Abend will ich nicht auslöschen, denn es ist das letzte Mal, dass ich die Gelegenheit habe, mit einem wahren Freund zu trinken.«
    »Es ist deine Entscheidung, dein Ende in diesem

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