Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
ihre Haut streichelte.
    Dann, am sechsten Tag ihrer Reise, hatten sie endgültig den Fluss hinter sich gelassen und waren in die ersten Ausläufer einer ausgedehnten Hügellandschaft eingedrungen. Vor ihnen breitete sich eine lange Kette von Gipfeln nach Norden und Osten hin aus. Schon in der vergangenen Nacht hatte Jandaldon einen fernen Feuerschein am Rand der Hügel zu sehen geglaubt, doch Rhya hatte seine Hoffnungen nicht bestätigen wollen. Nun lagen die Hügel im gleißenden Licht der Sonne vor ihnen, doch nichts wies darauf hin, dass das gesuchte Feuer in der Nähe sein könnte. Die Wärme des Tages hatte seit dem Morgen mehr und mehr zugenommen, und nun, zur Mittagszeit, war es sommerlich heiß.
    Rhya lenkte ihre Echse einen Hang hinauf, der sie auf einen flachen Höhenrücken zwischen zwei größeren Hügeln führte. Die Craith-Echse meisterte die Steigung ohne Probleme, und Jandaldon staunte über die Ausdauer, die diese Tiere gerade bei heißem Wetter an den Tag legten. Der Sänger selbst schwitzte in der sengenden Sonne, obwohl er sich nicht anstrengen musste. Insgeheim hielt er Ausschau nach einem Platz, der sich für eine Rast eignen würde, weit und breit war jedoch kein Wald zu sehen und noch nicht einmal ein einzelner Baum, der ihnen Schatten gegen die hoch am Himmel stehende Sonne hätte spenden können. Als sie endlich den Kamm des Höhenrückens erreichten, streckte Rhya ihren Arm in Richtung des Tales aus, das nun vor ihnen sichtbar war.
    »Schau!«, sagte sie.
    Voller Staunen betrachtete Jandaldon die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete. Das schmale Tal erstreckte sich nach Norden, hin zu den höheren Gipfeln des Berglandes, und in der Talsohle, direkt vor ihnen, lag ein See, an dessen Ufer ein paar schlanke Bäume standen. Schon aus der Entfernung ahnte Jandaldon, dass dieser Ort etwas Besonderes war. Der See war länglich geformt und leicht gekrümmt, wie ein angewinkelter Finger. Vielleicht eine Viertelmeile mochte er lang sein und kaum hundert Schritte maß er in der Breite. Und doch – das Licht der Sonne glänzte in dem klaren Wasser, wie Jandaldon es noch nie zuvor gesehen hatte. Leichte Wellen kräuselten die Wasseroberfläche, obwohl kein Wind zu spüren war. Rhya lenkte die Echse den Hang des Tales hinunter, und sie ließ das Tier halten, als sie das Ufer des Sees erreichten. Die Bäume, die dort wuchsen, waren nicht groß und nur spärlich belaubt, sodass auch sie kaum einen Schutz gegen die Sonne boten. Geschickt ließ die Priesterin sich vom Rücken der Echse zu Boden gleiten, und sie trat ans Ufer, wo sie stehen blieb, um still ins Wasser hinunterzusehen. Jandaldon folgte ihr nicht, denn sein Blick war von einem der Bäume angezogen worden, der sich von den übrigen unterschied. Offenbar war er verdorrt – kein frisches Grün zeigte sich an seinen Zweigen, doch einige kleine vertrocknete Früchte hingen an ihm.
    »Was für ein Baum ist dies?«, fragte er.
    »Man nennt ihn den Inglaar-Baum«, antwortete Rhya. »Warum fragst du?«
    »Ein Freund im Norden hat mir von diesem Baum erzählt. Er sagte, die Früchte seien sehr kostbar.«
    »Das ist richtig. Doch nur ein Heiler weiß, wie er die Früchte anzuwenden hat.«
    »Ja, mein Freund ist ein Heiler, und er sagte, dass die Früchte verderben, wenn sie nicht sorgfältig behandelt werden. Ob ihre Heilkraft wohl noch erhalten ist? Ohnehin wundert es mich, dass der Baum jetzt im Sommer Früchte trägt.«
    »Es sind offenbar Früchte vom Vorjahr, die den letzten Winter überdauert haben«, sagte Rhya. »Der Baum selbst ist bereits tot, denn er wird niemals älter als ein Jahr. Du kannst die Früchte für deinen Freund mitnehmen, wenn du magst.«
    »Ich denke nicht, dass ich meinen Freund wiedersehen werde.« Eine Weile blieb Jandaldon unschlüssig stehen, bevor er schließlich eine Hand ausstreckte, um die kleinen Früchte von den dünnen Zweigen des Baumes zu lösen. Er wickelte sie in einen Tuchbeutel und schob sie in die Umhüllung seiner Laute. Erst jetzt trat er neben Rhya, die ihren Blick wieder dem See zugewandt hatte.
    »Was ist das für ein See?«, fragte Jandaldon.
    »Ahnst du es nicht?«, erwiderte die Priesterin. »Es ist ein See des reinen Wassers – eines der Wunder dieses Kontinents. Bist du nicht hierhergekommen, um Orte wie diesen zu sehen?«
    »Vielleicht«, sagte der Sänger. »Ich meine, als ich mich auf den Weg hierher machte, war es wegen all der Wunder, die ich zu finden glaubte. Aber du weißt, dass es jetzt

Weitere Kostenlose Bücher