Brüder der Drachen
berührt.«
»Ich denke, es ist eher ihre Persönlichkeit als ihr Schicksal. Als meine Hand sie berührte, hatte ich ein seltsames Gefühl, so als würden wir uns schon ewig kennen.« Loridan verstummte und schüttelte sachte seinen Kopf. »Hast du dir überlegt, was aus ihr werden soll, wenn wir nach Car-Tiatha kommen?«
»Nein.« Deryn zuckte mit den Schultern. »Hast du einen Vorschlag?«
»Ich habe über mehrere Möglichkeiten nachgedacht, die mir alle nicht so recht gefallen. Wir könnten sicher dafür sorgen, dass sie an Gweregons Hof erzogen wird. Aber kannst du dir Danira als Hofdame vorstellen? Sie selbst hat mir gegenüber den Wunsch geäußert, Drachentöter zu werden, auch das scheint mir jedoch nicht das Richtige für sie zu sein.«
»Warum bringen wir sie nicht in Ber-Eliath unter?«, fragte Deryn. »Deine Schwester könnte sie in das zivilisierte Leben einführen, ohne gleich eine Hofdame aus ihr zu machen.«
»Das ist wirklich eine gute Idee, ich hätte selbst darauf kommen können. Danira und Elea werden sich mögen. Und wenn es Danira in Ber-Eliath gefällt, könnte sie dort bleiben. Ihre kleinen Ersparnisse sollten ausreichen, um ein Stück Land zu erwerben. Sie könnte eine Familie gründen und dort sesshaft werden.«
»Was ist los mit dir, Loridan?« Deryn lächelte zu seinem Freund hinüber. »Solche Worte kenne ich gar nicht von dir. Bisher wolltest du nie etwas davon hören, selbst eine Familie zu gründen. Danira weckt doch nicht etwa Vatergefühle in dir?«
»Wohl kaum«, erwiderte Loridan. »Sie dürfte kaum sieben oder acht Jahre jünger sein, als wir es sind. Und du weißt, dass ich keine eigene Familie gründen will, solange ich der Gilde angehöre. Trotzdem magst du recht haben – wenn ich einmal eine Tochter haben sollte, würde ich mir wünschen, dass sie so ist wie Danira.«
»Solange du der Gilde angehörst? Hast du dich denn jetzt entschieden, wieder zu deinem Schwert zu greifen?«
»Ja, zumindest für eine Weile.« Loridan nickte ernst und blickte dann in die Augen seines Gefährten. »Ich habe das Gefühl, dass ich etwas herausfinden muss – dass irgendetwas auf mich wartet. Und dazu muss ich in der Gilde bleiben. Vielleicht kann ich dann lernen, die Drachen besser zu verstehen, auch wenn ich weiter gegen sie kämpfen muss. Und ich werde wieder meine Rüstung anlegen müssen …«
Verwundert sah Deryn, wie das Gesicht seines Freundes einen Ausdruck der Abneigung annahm.
»Was ist mit deiner Rüstung?«, fragte er.
»Ich bin mir nicht sicher. Als ich sie zum ersten Mal anlegen durfte, war ich erfüllt von Stolz und einem Gefühl der Macht. Erst dachte ich, es sei Einbildung, aber später merkte ich, dass ich tatsächlich den Zauber der Rüstung spüren konnte. Und es wurde mehr und mehr zu einem Gefühl des Unbehagens. Aber einerlei – ich werde zur Gilde zurückkehren. Eines habe ich mir allerdings geschworen: Wenn ich das nächste Mal die Gelegenheit habe, einen Drachen zu töten, dann werde ich es nicht tun. Vielleicht wird er dann genauso nachdenklich, wie ich es nach meinem letzten Kampf geworden bin.«
»Du glaubst also immer noch, dass Drachen fühlen und denken so wie wir?« Deryn musterte seinen Freund mit gerunzelter Stirn. »Was wird Herubald von dieser Idee halten?«
»Herubald wird mich verstehen. Er hat genügend Trophäen von toten Drachen gesammelt. Er sucht nicht mehr nach dem Ruhm, wie viele der jungen Ritter der Gilde.«
»Nun, das ist zumindest eine schlechte Nachricht für alle unverheirateten Frauen von Car-Tiatha, die gehofft hatten, dass du jetzt endlich eine Familie gründen würdest. Aber wir sollten jetzt aufbrechen, es wird bald hell sein.«
Während Loridan zu Danira ging, um sie aufzuwecken, kramte Deryn in einer Tasche mit Lebensmitteln. Die Mahlzeit würde wieder einmal aus getrocknetem Fleisch, trockenem Brot und Wasser bestehen. Ein Feuer anzuzünden war zu riskant, auch hier im Schutz des Waldes.
»Müssen wir schon wieder los?«, fragte Danira verschlafen, als Loridan sie sanft geweckt hatte.
»Ja, wenn wir gegessen haben, werden wir aufbrechen. Wenn wir zügig vorankommen, werden wir heute noch in Quildons Rasthaus ankommen. Dann kannst du wieder einmal in einem Bett schlafen.«
Träge richtete das Mädchen sich auf und kam zu den beiden Männern hinüber. In diesem Moment ertönte ein schriller Schrei von einem nahen Baum, und Deryn zuckte erschrocken zusammen. Ein großer Narvi saß dort auf einem Zweig; sein Körper war
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