Brüder der Drachen
hoffe, dass es von Nutzen ist.«
Der Heiler öffnete den Beutel, und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.
»Die Früchte des Inglaar-Baums«, sagte er. »Das ist ein kostbares Geschenk.«
Während Tirandor die Früchte begutachtete, holte Jandaldon die Laute aus ihrer Umhüllung hervor, und für eine Weile hielt er sie nachdenklich in seiner Hand.
»Dieses Instrument war mein letzter Besitz, und ich habe mehrfach versucht, es zu verschenken, als ich auf einen baldigen Tod hoffte. Nun ist die Laute zerstört, und ich lebe weiter. Jetzt besitze ich nichts mehr, außer den Lumpen, die ich auf meinem Leibe trage.«
»Doch, es gibt etwas, das Euch gehört.« Timon trat auf Jandaldon zu und reichte ihm die Rhyn-Rune. »Diese Rune soll Euch nun begleiten, denn wir hoffen, dass Ihr ihr rechtmäßiger Träger seid.«
Mit gerunzelter Stirn fasst Jandaldon nach dem Amulett. Seine Verwirrung wurde zu offenkundigem Staunen, als die Rune in seiner Hand hell zu leuchten begann.
*
Stille herrschte in der gewaltigen Höhle – Stille und Dunkelheit, und nur ein sanftes Leuchten durchbrach die Finsternis. Silberne Linien bedeckten den Boden, die in einem eigenen Licht erstrahlten, doch der schwache Schein konnte die fernen Wände der Höhle nicht erhellen. Nur ein leises Geräusch war zu hören – die Atemzüge eines Mannes, regelmäßig und tief. Plötzlich regte sich der Mann, er erwachte aus seinem tiefen Schlaf. Während er sich erhob, ging sein Blick suchend in die Runde, und schließlich wandte er sich dem leuchtenden Beschwörungskreis zu. Schwach spiegelte sich das Licht auf der Augenklappe wider, die das linke Auge des Mannes bedeckte.
Angbold lief ein paar Schritte zum Zentrum der Höhle hin, bis er am Rand des Beschwörungskreises stand. Unschlüssig verharrte er dort für eine Weile, dann wandte sich sein Blick nach oben. Rot glimmende Augen waren in der hohen Höhlenkuppel erschienen und senkten sich rasch auf ihn herunter. Noch bevor er die Umrisse der Schwingen erkennen konnte, spürte Angbold den Wind in seinem Gesicht. Drei Dämonen waren es, die sich näherten, und zwischen sich trugen sie einen Mann in blauer Kleidung.
»Hast du es auch gespürt?«, fragte der junge Gelehrte.
»Ja, ich habe es gespürt.« Angbolds heiles Auge glomm Unheil verkündend.
»Und kannst du mir auch sagen, was geschehen ist?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ein Zittern ging durch Thaur-Angoths Macht. Eine gewaltige Energie ist freigesetzt worden – und dann ist sie erloschen. Wenn mein Gefühl mich nicht trügt, dann war es im Süden. Weit, weit im Süden.«
»Du meinst Ul’ur?«
»Ja, ich meine ihn. Thaur-Angoths Sohn wurde angegriffen und vielleicht sogar vernichtet.«
»Aber wer sollte es wagen, sich gegen Ul’ur zu stellen? Und warum?«
»Ich ahne, wer es war.« Angbolds Finger strichen über seine Augenklappe. »Die Menschen, die uns auch hier getrotzt haben, Firions Auserwählte. Nun wissen wir endlich, wohin sie sich gewandt haben, nachdem wir ihre Spur verloren hatten. Ich weiß nicht, was sie dort suchen und warum sie ihre Kraft mit Ul’ur gemessen haben. Doch ihre Macht muss gewachsen sein.«
»Dann müssen wir aufmerksam sein und unsere Blicke nach Süden wenden. Von dort werden sie kommen, über das Meer.«
»Viel zu lange haben wir den Süden vernachlässigt. Zu weit ist dieses Land entfernt, sogar für die Schwingen unserer Dämonen.«
»Dennoch leben auch dort Brüder von uns. Schon hat Eril-Angoths Licht sie aus den Tiefen des Meeres hervorgelockt.«
»Ja, wir wollen unsere Geister vereinen und den Kontakt zu unseren Brüdern suchen. Obwohl unser Herr schon lange das Interesse an diesen Geschöpfen verloren hat, schulden sie ihm immer noch Gehorsam – ihm und uns. Sie müssen diese Menschen finden und uns Bericht erstatten. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann sollen sie sie vernichten.«
*
Unschlüssig sah sich Timon in dem Kellergewölbe um, in das er durch einen halb zugeschütteten Eingang eingedrungen war. Die Trümmer und der Schmutz der Jahrhunderte türmten sich hier, doch nichts von Wert war zu sehen. Schon wollte der Junge den Rückweg antreten, als ein kurzes Schwindelgefühl ihn erfasste. Verschwommene Erinnerungen jagten durch seinen Kopf – Erinnerungen an andere Ruinen, die er durchstreift hatte, vor langer Zeit, in einem anderen Leben. Er war Gerugrim gewesen, und er hatte noch andere Leben gelebt, doch immer war er ein Zauberer gewesen, ein Forschender auf der Suche nach
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