Brüder der Drachen
können uns der Stadt im Licht des Tages nähern, und die Herzen unserer Feinde werden zittern im Angesicht von Aeons Licht. Trotzdem werden sie uns die Stadt nicht kampflos überlassen, und wir müssen uns auf weitere Kämpfe einstellen. Dies ist die Situation, soweit sie sich mir erschließt. Wenn die Mauern von Car-Angoth schließlich in unseren Händen sind, dann beginnt die Aufgabe der Auserwählten.«
»So ist es«, sagte Sad Eldon. »Die Auserwählten und alle, die ihnen folgen wollen, müssen in das Heiligtum unserer Feinde eindringen und sie dort herausfordern.«
»Und welche Hoffnung habt Ihr, dass dieser Plan gelingt?«, fragte der König.
»Wir hoffen«, sagte der Priester. »Das ist alles, was ich jetzt sagen möchte. Es ist nicht auszuschließen, dass unsere Feinde Spione haben, sogar hier in unserem Lager. Und ohnehin gibt es nicht viel, was wir sagen könnten – zu viele Dinge sind auch uns noch verborgen.«
»So sei es also.« Der König nickte ernst. »Dann sollt Ihr Euch nun in Eure Zelte begeben. Auch wenn ich nicht glaube, dass wir in dieser Nacht viel Ruhe finden werden.«
»Wir wollen Firions Beistand erbitten, bevor wir auseinandergehen.« Sad Olgar kniete sich auf den harten Boden, und alle anderen folgten seinem Beispiel.
»Herr«, sprach er, »wir sind hier versammelt, um in deinem Namen gegen unsere Feinde zu kämpfen, die auch deine Feinde sind. Gib unseren Herzen die Kraft, um nicht zu wanken vor dem Schrecken, den der Dunkle über uns bringen wird.«
Niedergeschlagen folgte Danira ihren Gefährten zurück zu ihrem gemeinsamen Zelt, und die Gedanken an das Schicksal, das vor ihnen lag, schienen schwer auf allen zu lasten. Timon kramte wie so oft in seiner Tasche herum, Jandaldon betrachtete nachdenklich das Schwert, das man ihm überlassen hatte, und nur Loridan und Selina flüsterten leise miteinander, während sie sich innig umarmten. Danira bettete sich bald zur Ruhe, doch es war eine Nacht voller Schrecken. Immer wieder erklangen grausame Stimmen – unartikulierte Schreie, die aus dem dunklen Nachthimmel herunterdrangen. Im Lager waren offenbar viele Menschen ruhelos, denn oft hörte man das leise Raunen der verängstigten Soldaten.
Der Schrei eines Dämons, ganz in der Nähe, ließ Danira aus ihrem Schlaf hochschrecken. Alles war dunkel, und nur ein schmaler Lichtstreifen war vom Eingang des Zeltes her zu erkennen. Sie erhob sich und trat ins Freie, wo der ganze Himmel von wabernden Schlieren roten Lichts erfüllt war. Aber um sie herum war nur Schwärze, das Zeltlager und die ganze Armee des Westens schienen verschwunden zu sein. Dann leuchteten die roten Augen der Dämonen überall um sie her auf, und die harschen Stimmen der Dunkelmenschen erklangen aus allen Richtungen.
»Loridan!«, rief Danira. »Loridan, wo bist du?«
Es kam keine Antwort, doch plötzlich bewegte sich eine dunkle Silhouette über den roten Himmel – der Umriss eines Drachen! Sie schöpfte neue Hoffnung, denn offenbar war Goldschuppe gekommen, um sie vor den Dämonen zu erretten.
»Goldschuppe!«, rief sie. »Hier bin ich.«
Und der Schatten kam näher, wurde größer, immer größer – größer als Goldschuppe sein sollte. Dann war er heran, ein riesiger Drache, der auf Danira hinunterblickte, und seine Augen leuchteten rot, so wie die der Dämonen. Eine Wolke aus dunklem Feuer kam auf sie zu. Es war zu spät, um die Rune zu verwenden, zu spät, um davonzulaufen. Feuer! Überall war Feuer!
Danira schreckte hoch, und sie sah, dass schwaches Licht durch den Eingang des Zeltes hereindrang. Es war kein Feuerschein, sondern das erste vage Licht des Morgens. Alles war still, bis auf die regelmäßigen Atemzüge ihrer Gefährten, die offenbar ruhig schliefen. Die Nacht war vergangen, und kein Angriff war erfolgt – wer auch immer die feindlichen Kräfte befehligte, schien der Meinung zu sein, dass die Zeit für eine entscheidende Schlacht noch nicht gekommen war. Leise stand Danira auf und trat vor das Zelt hinaus, getrieben von der Sorge, dass doch irgendeine Gefahr sich näherte.
Am östlichen Horizont zeigten Streifen von blauem und gelbem Licht das Nahen der Sonne, nur nach Westen hin schimmerten noch die funkelnden Himmelslichter, und Danira suchte unter ihnen nach Terilos Stern. Gerade hatte sie Vradil erkannt, als eine Stimme sie aufschrecken ließ.
»Konntest du nicht schlafen?«
Es war Calidor, der sich leise genähert hatte, bereits vollständig gerüstet und mit seinem Schwert
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