Brüder der Drachen
Kräfte frei werden.«
»Aber wie nahe müssen die Splitter an den zentralen Stein kommen, um diese Wirkung auszulösen?«, fragte Timon.
»Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen«, sagte Grimstan. »Vermutlich müssen sie in den Beschwörungskreis gelangen. Du wirst deine Steine beobachten müssen, vielleicht kannst du irgendwelche Anzeichen erkennen.«
»Und werden die Kräfte groß genug sein, um das Tor zu verschließen, falls die Alten es öffnen sollten?«
»Wahrscheinlich.« Grimstan zögerte kurz, und er sah über seine Schulter, so als würde er ungebetene Zuhörer fürchten. Erwartungsvoll erwiderte Danira den Blick, bis der alte Mann wieder zu sprechen begann.
»Wahrscheinlich auch genug, um uns alle zu töten«, sagte er.
»Ich werde die Steine nur benutzen, wenn ich keinen anderen Ausweg mehr sehe«, sagte Timon.
»Ja, das wäre auch mein Rat gewesen.« Grimstan nickte. »Doch zögere nicht zu lange, denn vielleicht ist es der einzige Weg, der uns bleibt.«
Der alte Mann ließ sich hinter Timon zurückfallen, als der Weg wieder schmaler wurde, und Danira folgte ihm schweigend. Die Worte, die sie gehört hatte, waren eine neue Last für sie, allerdings schöpfte sie aus ihnen auch Hoffnung: Es gab einen Weg, diese Welt noch zu retten – und durch die Macht der Dimensionssteine zu sterben, dürfte kein schlimmerer Tod sein, als von den Klauen eines Dämons zerrissen zu werden. Während sie gingen, verdichteten sich die Schatten der Dämmerung, und es fiel ihr immer schwerer, einen sicheren Tritt für ihre Füße zu finden. Als sie endlich das höher liegende Land erreichten, sah Danira bereits die Feuer des Heerlagers, das dicht an der Klippe errichtet war. Der Himmel hatte sich verdunkelt, und nur im Westen war noch ein heller Streifen sichtbar.
Ein junger Soldat mit schwarzen Haaren und einem kurz geschnittenen Bart trat ihnen entgegen, als sie sich dem Lager näherten. Er trug eine Kettenrüstung, die mit verzierten Metallplatten an Schultern und Brust verstärkt war.
»Ich bin Galadan«, sagte er, »Hauptmann der Truppen aus Car-Osidia. Eure Ankunft hier erfüllt mich mit Freude. Folgt mir bitte, und ich werde Euch zu Eurem Quartier geleiten.«
Staunend sah Danira um sich, während sie dem jungen Offizier durch die geordneten Reihen der Zelte folgte. Zahlreiche Feuer brannten entlang ihres Weges, und an vielen Stellen wurde gekocht. Die Soldaten waren in farbenfrohe Waffenröcke gekleidet – Rot und Weiß oder Blau und Gelb – und viele von ihnen betrachteten die Ankömmlinge mit neugierigen Blicken.
»Heimlichkeit hat keinen Zweck mehr«, erläuterte Galadan. »Unsere Feinde wissen ohnehin, wo wir sind. Und falls wir angegriffen werden, brauchen wir Licht, um uns zu verteidigen. König Calidor wird Euch gleich mehr erzählen, aber zuerst sollt Ihr Euer Gepäck ablegen und Euch erfrischen, wenn Ihr mögt.«
Galadan wies den Gefährten die Zelte, die für sie vorbereitet waren, und dort wartete auch Sad Eldon auf sie. Sofort löste sich Sad Olgar aus der Gruppe der Ankömmlinge und schritt auf seinen Bundesgenossen zu, um ihn mit feierlicher Würde zu begrüßen.
»Ich denke, die Auserwählten sollten von nun an beieinanderbleiben«, sagte Loridan. »Wir wollen uns eine Unterkunft teilen, und die Bewahrer und unsere Gefährten aus dem Süden mögen sich auf die anderen Zelte verteilen.«
Mit dem eilig herbeigebrachten Wasser wuschen die Gefährten sich Hände und Gesicht, und kaum waren sie damit fertig, als ein junger Mann in einem rot-weißen Waffenrock das Zelt betrat. Sofort bemerkte Danira die Ähnlichkeit mit Carilon.
»Seid gegrüßt«, sagte er. »Und verzeiht, wenn ich Euch so kurz nach Eurer Ankunft störe. Ich bin Calidor, den man nun den König der Westlande nennt. Ich habe bereits viel über Euch gehört, und ich kenne Eure Namen und Eure Geschichte. Loridan, wir sind uns bereits begegnet. Und Selina – die Berichte über Eure Schönheit können der Wahrheit nicht gerecht werden. Jandaldon – Geschichten über Euch haben die Drachenritter schon vor Jahren in meine Stadt getragen. Und auch über Euch habe ich viel gehört.« Calidor nickte Timon grüßend zu. »Wie ein Junge erscheint Ihr, doch ich weiß, welcher Schatz des Wissens in Euch ruht.«
Zuletzt wandte der König sich an Danira, und er legte eine Hand auf ihre Schulter. »Auch über dich habe ich viel gehört, Danira. Dein Mut wird von den Drachenrittern gerühmt, und welch größeres Lob könnte es
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