Brüder der Drachen
denn sogar die Drachenritter hatten sich kaum jemals in diesen Landstrich vorgewagt. Einzig Grimstan schien dieses Land nicht völlig fremd zu sein, und Calidor bemühte sich immer wieder um den Rat des alten Mannes.
»Was denkt Ihr, wie stark unser Feind sein wird?«, fragte er, als er mit seinen Beratern am Rand des Lagers stand.
»Ich weiß es nicht.« Grimstan schüttelte seinen Kopf. »Wir müssen jedenfalls davon ausgehen, dass die Überlebenden der gestrigen Schlacht uns nun in der Stadt erwarten werden. Und vielleicht noch viele weitere.«
»Aber keiner der Dämonen wird da sein, um sie zu führen.« Beranions Stimme ließ die Aussage wie eine Frage klingen.
»Solange Aeons Auge am Himmel steht, wird kein Dämon uns gegenübertreten«, sagte Grimstan. »Und dies ist ein Segen, denn sie sind furchtbare Gegner. Trotzdem werden die Dunkelmenschen erbittert kämpfen, denn sie befinden sich im Herzen von Thaur-Angoths Macht.«
»Dennoch werden weitere Dämonen in der Stadt sein«, sagte Calidor. »Ist es nicht so?«
»Ja, es ist so.« Grimstan nickte mit ernstem Blick. »Auch wenn ich glaube, dass es nicht viele sein werden. Den Alten fällt es schwer, die Dämonen aus dem Reich der Finsternis in diese Welt zu rufen, und zu dieser Zeit wird ihr Geist auf andere Dinge gerichtet sein. Die Armee, die gestern gegen uns gestanden hat, sollte uns vernichten – sicherlich werden die Alten alle Kräfte ausgeschickt haben, die sie entbehren konnten. Der Gedanke, dass wir bei Tage nach Car-Angoth kommen könnten, wird ihnen nicht gefallen haben.«
»Und doch ist es nun so geschehen«, sagte Beranion. »Im Licht des Tages werden wir die Stadt des Bösen betreten, gegen die Pläne unserer Feinde. Wenn wir die Mauern bei Tage gewinnen, dann werden wir sie vielleicht auch in der Nacht halten können.«
»Nein, Ihr könnt die Mauern nicht halten«, sagte Grimstan. »Nicht wenn der Große Zauber der Alten gelingt, den zu verhindern der einzige Zweck dieses Unternehmens ist. In der kommenden Nacht wird eine Entscheidung fallen, die das Schicksal der Welt besiegelt. Wenn die Alten über die Auserwählten triumphieren, dann kann nichts mehr sie davon abhalten, ihren Zauber zu vollenden. Ein ganzes Heer von Dämonen wird aus den Ruinen der Stadt hervortreten, und sie werden jeden Menschen töten, den sie finden. Doch wenn die Auserwählten siegen, dann werden die verbliebenen Feinde sich verkriechen, bis der Böse sie vielleicht das nächste Mal um sich scharen wird. Dies wird allerdings in einer fernen Zeit sein, die keiner von Euch erleben wird.«
»Düstere Worte sprecht Ihr«, sagte Beranion, »und dennoch stimmen sie mich freudig. Wenn Ihr nicht mehr von mir verlangt, als diese Mauern zu erstürmen, dann werde ich meine Männer unerschrocken in den Kampf führen. Im Licht der Sonne sollen die Schwerter der Westmark diese Kreaturen das Fürchten lehren.«
»Ich zweifle nicht an Eurem Mut und dem Eurer Männer.« Grimstan blickte in die Augen des Fürsten. »Ich bin voller Zuversicht, dass Ihr uns den Zugang in die Stadt erkämpfen werdet. Doch damit ist es nicht getan. Die Auserwählten werden in die Höhlen des Schwarzen Berges eindringen, fernab vom Licht der Sonne. Und sie können nicht alleine gehen.«
»Ich werde bei ihnen sein«, versicherte Beranion. »Jeder von Euch hat schon einen Dämon erschlagen. Ich brenne darauf, mit Euch gleichzuziehen.«
»Diesen Ruhm will ich Euch gerne gönnen.« Calidor legte seine Hand auf die gepanzerte Schulter des Fürsten. »Auch wenn ich wünschte, es gäbe einen einfacheren Weg in den Berg als durch die Trümmer dieser Stadt.«
»Es gibt keinen anderen Weg«, erwiderte Grimstan. »Im Süden und Osten fällt der Berg steil zum Meer hin ab. Im Norden und Westen schmiegt sich die Stadt an seine Hänge. Und ein schwarzer Tempel steht dort, der den Zugang zu den Höhlen der Finsternis bewacht – nun mag er allerdings zerstört sein.«
»Ihr sprecht, als hättet Ihr diese Orte mit eigenen Augen gesehen«, sagte Beranion.
»Ich habe die Schriften der Bewahrer gelesen.« Grimstan lächelte sein dünnes Lächeln, als er in die Augen des Fürsten blickte.
»Ich denke, wir haben nun genug geredet«, sagte Calidor. »Alle Worte konnten die Zweifel in mir nicht mindern, und nur die Tat wird uns weiser machen. Lasst uns ein letztes Mal unsere Schwerter schärfen, denn die Schlacht liegt vor uns.«
Nun gab der König den Befehl, die Klingen zu enthüllen, die an den Kopfhauben der
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