Brüder Des Zorns
zeigten. Eine trug einen Speer bei sich, die andere eine Axt. Beide schliefen vor Langeweile fast ein. Am Zelteingang ertönten unerwartete Geräusche, und sie rissen die Köpfe hoch.
»Ansa!« Die Stimme gehörte eindeutig zu Fyana.
Die beiden Frauen rappelten sich auf, aber Ansa war schneller. Er packte die Axt mit gefesselten Händen und stieß der Kriegerin das Knie unters Kinn, so dass sie rücklings gegen die Zeltwand taumelte. Ihre Gefährtin hob den Arm zum Speerwurf. Im Eingang standen zwei Cabos. Auf dem einen saß Fyana, das andere führte sie am Zügel. Mit der Breitseite der Axt versetzte er seiner Bewacherin einen heftigen Schlag gegen die Schläfe, so dass sie bewusstlos zu Boden fiel, ehe der Speer ihre Hand verließ.
Ansa rannte los, packte den Sattelknauf mit beiden Händen und schwang sich auf das Cabo. Mit ihrem Messer durchtrennte Fyana seine Fesseln.
»Reite!« schrie sie ihm zu.
Er riss das Cabo herum und galoppierte davon, Fyana folgte ihm dicht auf den Fersen. Sie stürmten auf das Haupttor zu. In weniger als zwanzig Schritten Entfernung erblickten sie Gasam und Larissa. Der König hob den Speer und riss den Arm bis weit hinter die Schulter. Er bewegte sich schneller als jeder Krieger, den Ansa bisher beobachtet hatte. Ansa trieb sein Cabo unbarmherzig voran und zog das Langschwert. Zischend beschrieb die stählerne Klinge einen Halbkreis, während Gasams Arm vorschnellte. In letzter Sekunde verwandelte der König den Angriff in eine Verteidigung und wirbelte die schwere Waffe am Griff herum, um den Schwerthieb abzufangen. Ansa hätte nie geglaubt, dass ein gewöhnlicher Mensch derartige Kraft besaß.
Dennoch gelang die Parade nicht ganz. Das Schwert traf auf den Speer; Funken sprühten, und die lange Klinge glitt am Speerschaft herab, fuhr in Gasams Gesicht und Unterkiefer und schlitzte einen Teil des Brustkorbs auf. Mit einem erstickten Schrei fiel der König hintenüber. Larissa warf sich schützend über ihn, während Ansa das Schwert erneut hob.
»Keine Zeit!« schrie Fyana. »Reite!«
Ringsumher rissen sich die Krieger aus ihrer Erstarrtheit. In wenigen Augenblicken würden Shasinnspeere durch die Luft fliegen. Geschmeidig beugte sich Ansa aus dem Sattel, ergriff die langen Haare Larissas und zog die kreischende Frau über den Widerrist des Cabos. »Bleib dicht hinter mir!« brüllte er und wandte sich der Straße zu, die aus der Stadt führte.
»Keine Speere!« vernahmen sie eine Stimme im Hintergrund. »Er hat die Königin!« Gasam erhob sich schwerfällig, eine Hand gegen das blutüberströmte Gesicht gepresst. Mehr sah Ansa nicht, denn er ließ den Platz in rasendem Tempo hinter sich und verschwand zwischen den Ruinen. Fyana folgte ihm auf den Fersen.
Da er mit einer Hand Larissa festhielt und die andere das Schwert umklammerte, musste er ohne Zügel reiten. Das Donnern der Hufe hallte von den Mauern der Ruinen wider, und die Gefangenen, die schwere Steinbrocken schleppten, brachten sich mit hastigen Sprüngen in Sicherheit. Sie galoppierten durch das Tor und durch das Lager, wo die Krieger sie entgeistert anstarrten, aber niemand hielt sie auf. Es war so unbegreiflich, dass kein Mensch wusste, was zu tun war. Sie galoppierten zwei Meilen weit, und Ansa gelang es, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken und die Zügel zu ergreifen. Auf der Spitze eines Hügels hielten sie an und blickten zurück auf die zerstörte Stadt.
»Du darfst dein Cabo nicht länger mit ihr belasten!« keuchte Fyana. »Sieh nur!« Eine Gruppe Reiter galoppierte durch das Stadttor und kam auf sie zu.
Larissa lachte. »Mein Gemahl kommt euch nach! Diesmal habt ihr kein Glück. Er wird euch seinen Frauen ausliefern, die euch foltern und anschließend auffressen. Das lieben sie! Ich habe es schon beobachtet.« Ansa warf sie zu Boden, und dort blieb sie lächelnd liegen.
»Ich kann dich nicht weiter mitschleppen«, sagte er, »aber ich kann dich töten.« Noch einmal zog er das Schwert, dessen Spitze blutrot war.
Fyana warf ihm einen eisigen Blick zu. »Könntest du das?«
Larissa lächelte furchtlos. »Nur zu! Was für eine Heldentat. Erzähl deinem Vater, dass du die Frau tötetest, die er liebt, und seinen Erzfeind am Leben ließest.«
Ansa sah sie wütend an und steckte das Schwert zögernd in die Scheide. »Nein, ich kann dich nicht umbringen.«
»Das dachte ich mir. Du bist Haels Sohn und genauso ein Schwächling wie er.«
»Hüte deine Zunge!« rief Fyana. »Ich muss keine
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