Brüder Des Zorns
so viele Menschen auf so engem Raum gesehen. Die meisten Straßen waren so schmal, dass man sich seitwärts drehen musste, um Entgegenkommende vorbeizulassen. Oft führten sie steil bergan und bestanden teilweise nur aus Stufen. Außer auf den Marktplätzen schien es keine Trennung zwischen Wohnhäusern und Kaufmannsläden zu geben. Das Erdgeschoß der meisten Gebäude wurde von Lagerräumen oder Geschäften eingenommen, über denen sich Wohnungen befanden. Überall ragten Balkone in die Gassen und verwandelten sie in regelrechte Tunnel. Menschen lehnten sich über die Balkongeländer, um mit den Nachbarn aus den gegenüberliegenden Häusern zu plaudern oder das Treiben auf den Straßen zu beobachten.
Obwohl die Stadt gänzlich aus Stein zu bestehen schien, mangelte es nicht an Pflanzen. Die meisten Balkone hatten liebevoll gepflegte Blumenkästen. Schlingpflanzen erfreuten sich großer Beliebtheit, und von manchen Gebäuden hingen dichte grüne Vorhänge herab, die die Köpfe der Vorübergehenden streiften. Mancherorts schritt Ansa über einen dünnen Teppich aus Blättern und Blüten, wofür er dankbar war. Es milderte den Anblick der Steinwüste ein wenig.
Ihm fiel auf, dass ihn die Menschen unauffällig beobachteten. Man war an Fremde gewöhnt, aber nicht an seinesgleichen. Vielleicht hätte er die Waffen in der Herberge lassen sollen. Speer und Bogen waren dort geblieben, aber den Dolch und das Schwert hatte er angelegt. Jetzt bemerkte er, dass niemand bewaffnet war, von den Adligen und ein paar Stadtwachen einmal abgesehen. Nun, solange man ihn nicht zur Rede stellte, war es egal. Schließlich war er ein Krieger, und alle Krieger liefen bewaffnet einher.
Immer wieder kam er an Tempeln vorüber. Die meisten waren große Gebäude mit dunklen Innenräumen, aus denen Weihrauchwolken, misstönende Musik und rhythmische Gesänge drangen. Andere waren hochaufragende Steintürme, auf deren Spitze sich Schreine und Altäre befanden. Neugierig starrte er hinauf, wagte aber nicht, sie ungebeten zu erklimmen. Er hatte gehört, dass die Menschen zivilisierter Länder ihre Religion sehr ernst nahmen und das Eindringen eines Fremden unter Umständen als Frevel ansahen.
Auch über die Märkte wunderte sich Ansa. Auf dem großen Platz hinter dem Stadttor wurden sämtliche Waren angeboten, welche die Karawanen täglich in die Stadt brachten. Die kleineren Märkte, die sich über die ganze Stadt verteilten, waren anders. Jeder widmete sich einer bestimmten Warenart. Es gab viele Plätze, auf denen nur Lebensmittel verkauft wurden. Hier pries jemand frisches Fleisch an, dort roch es durchdringend nach Fisch. Neben einem Verkaufstisch standen große Wasserbehälter, aus denen lebende Fische verkauft wurden. Für Gemüse und Obst gab es besondere Märkte. Der nach frischem Brot duftende Bäckermarkt lag neben dem der Gewürzhändler.
Das Klingen der Hämmer verriet ihm, dass er sich dem Viertel der Schmiede näherte. Dort gab es einen Schmuckmarkt, wo er viele schöne Stücke entdeckte, die seine Geldmittel aber weit überstiegen. Nie zuvor hatte Ansa eine solche Fülle von Gold, Silber, Perlen, Juwelen, Korallen und anderen Kostbarkeiten gesehen. Viele der Kundinnen, die an den Ständen weilten, gehörten zur Aristokratie. Sie waren von hochgewachsener, vornehmer Gestalt und in feinste Stoffe gehüllt. Lockige Haare türmten sich auf den Köpfen zu komplizierten Frisuren, und die Gesichter erschienen ihm unter der dicken Schminke wie starre Masken. Ansa fand, dass die meisten ohne die Bemalung sehr hübsch gewesen wären. Manche Frauen warfen ihm neugierige Blicke zu, was ihre Leibwächter veranlasste, ihn mit steinerner Miene zu beobachten. Die Wachen gehörten einer ihm unbekannten Rasse an. Sie hatten bleiche Haut, waren kahlköpfig, riesengroß und besaßen ausladende Bäuche, die jedoch nicht über die gewaltige Körperkraft hinwegtäuschten.
Ein paar Straßen weiter stieß er auf einen besonders interessanten Markt, auf dem Waffen verkauft wurden. Ansa entdeckte eine große Auswahl an guten Dolchen und Schwertern, die zum größten Teil aus Bronze oder aus Bronze mit Stahlrand bestanden, fand aber auch ein paar stählerne Waffen – ein Beweis, dass die Stahlmine seines Vaters Auswirkungen bis hierher zeigte. Früher konnten sich nur Könige und der Hochadel solche Waffen leisten.
Er bewunderte die Schönheit der Bronzewaffen. Stahl haftete eine strenge Nüchternheit an, aber Bronze bot viel mehr Möglichkeiten für
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