Brüder Des Zorns
gefiel die Unterkunft im Gasthaus, und der Gedanke, in dem riesigen seltsamen Palast, in dem sich mögliche Widersacher aufhielten, zu wohnen, behagte ihm keineswegs. Allerdings sah er keine Möglichkeit, die angebotene Gastfreundschaft zurückzuweisen, ohne die Herrscherin zu beleidigen.
»Das ist ausgesprochen großzügig. Darf ich darum bitten, dass Lady Fyana und ich benachbarte Räume bekommen? Ich weiß, dass deine Wachen zuverlässig sind, aber ich gab ihrem Volk mein Wort, für ihre Sicherheit zu sorgen.«
»Natürlich. Jetzt muss ich gehen. Bitte verfüge über mein Haus und behandle meine Diener, als wären es deine eigenen.«
Er verneigte sich. Als sie fort war, fragte er sich, was er jetzt unternehmen sollte. Der Gedanke, in einem Zimmer herumzusitzen, egal, wie bequem es auch sein mochte, war schrecklich. Sie hatte ihm ihre Diener zur Verfügung gestellt, aber es gab nichts, was sie für ihn tun konnten. Seit seiner Kindheit hatte er alles selbst erledigt und niemals Dienstboten gehabt.
Ansa ging zum Gemach des Königs und schaute hinein. Fyana saß noch genauso da, wie er sie verlassen hatte. Sie und der König wirkten wie Statuen. An den Wänden lehnten schweigsame Höflinge und Dienstboten. Der Prinz saß nicht länger auf seinem Stuhl, und Ansa vermochte ihn nirgendwo zu erspähen.
Leise verließ er den Raum und betrat den Flur. Erwartungsvolle Gesichter wandten sich ihm zu, viele davon stark geschminkt. Als sie merkten, dass er nichts sagen würde, verloren sie das Interesse an ihm. Ansa wollte ins Freie, fort von den düsteren Mauern des Palastes. Er sehnte sich nach Sonnenlicht und frischer Luft.
Nach kurzer Zeit erreichte er eine breite zweiflügelige Tür, die nach draußen führte. Er fand sich auf einer Terrasse wieder, die einen seltsamen Ausblick bot. Eine lange Treppe führte zu einem ovalen Platz hinab, der von vielen Reihen Sitzplätzen umgeben wurde. Die Einfriedung des Platzes lag ungefähr acht Fuß unterhalb der ersten Sitzreihe. Der Boden war mit Sand bedeckt. Ansa wunderte sich, wozu der Platz diente. War es ein Tempel?
»Wie ich sehe, hast du unser Stadion gefunden«, sagte eine Stimme hinter ihm, die er erkannte. Er drehte sich um und erblickte die Frau, die sich am Vorabend als Lady Hesta vorgestellt hatte.
Ansa verneigte sich. »So ist es, Lady Amahest M´llva. So etwas habe ich nie zuvor gesehen. Wozu dient es?«
Ihre Hände strichen über die kunstvollen Falten des Gewandes, und sie kam näher. Sie war wesentlich zurückhaltender geschminkt als gestern, und Ansa sah eine schöne Frau von ungefähr dreißig Jahren vor sich, mit fast weißer Haut, die teilweise unbedeckt war. Das enge Mieder begann bei den Brustwarzen und ließ die schmalen Schultern und zarten Wölbungen der Brüste frei.
»Hier finden Vorführungen statt. Manchmal werden Tiere gezeigt, dann wieder sieht man Tänzer, Schauspieler, Akrobaten oder Zauberer. Es gibt auch Wettkämpfe zwischen Athleten oder Kriegern. Im Augenblick ist es recht kahl. Bei Vorführungen liegen überall weiche Kissen und kostbare Teppiche, bunte Blumen und Fahnen. Es gibt auch Springbrunnen, die für Erfrischung sorgen.
Manchmal finden auch Nachtvorstellungen im Fackelschein statt.«
»Kämpfe?« erkundigte er sich.
»Ja. Waffenmeister treten auf, um ihre Künste vorzuführen oder einander herauszufordern. Oft sieht es wunderschön aus, fast wie ein Tanz.«
»Kämpfen sie bis zum Tod?«
»Normalerweise gibt einer von beiden auf oder hält einfach nicht länger durch. Hin und wieder besteht ein Meister, der sich zutiefst beleidigt fühlt, auf einem Kampf bis zum Tode. Natürlich kommt es auch vor, dass Verlierer ihren Wunden erliegen. Interessierst du dich für Kämpfe?« Ein eigentümliches Lächeln umspielte ihre Lippen.
Er zuckte die Achseln. »Ich bin ein Krieger. Kämpfe wie hier habe ich noch nie verfolgt, obwohl ich natürlich gerne zusehe, wenn zwei Krieger ein Duell austragen. Das geschieht bei den meisten Zusammenkünften. Der König erlaubt es, da sie sich sonst heimlich bekämpfen würden, und das kann zu Blutrache führen.«
»Dein Volk scheint – wie soll ich es ausdrücken? – sehr urwüchsig zu sein.« Sie stand so dicht vor ihm, dass er ihr Parfüm roch. Es war nicht aufdringlich, wie er es an diesem Ort, wo alles übertrieben wurde, erwartet hatte.
»Wir sind an ein hartes Leben gewöhnt«, antwortete er.
»Hier führst du kein hartes Leben. Kaum angekommen, heißt man dich in den vornehmsten
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