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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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er ein langes Leben haben würde, hatte sie seine Handfläche erneut studiert und ihm dann sein Geld zurückgegeben.
    D’Anton saß in seiner Kanzlei, einen Berg Akten vor sich. »Komm doch heute Nachmittag mit in die Verhandlung«, forderte er Camille auf. »Dann kannst du zuschauen, wie ich deinen Freund Perrin zerlege.«
    »Kannst du gegen niemanden Groll aufbringen außer gegen die Leute, gegen die du prozessierst?«
    »Groll?« D’Anton klang verdutzt. »Das ist kein Groll. Ich komme sehr gut mit Perrin aus. Wenn auch nicht ganz so gut wie du.«
    »Wie erträgst du es, dich immer nur mit solchen Petitessen zu befassen?«
    »Die Sache ist die«, sagte d’Anton geduldig, »ich muss meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich würde auch gern Ausflüge nach Versailles machen und da Zaungast spielen, aber nichtsdestoweniger erwarten mich um Punkt zwei Maître Perrin und eine geifernde Meute von Klägern.«
    »Georges-Jacques, was willst du?«
    D’Anton grinste. »Was werde ich wohl wollen?«
    »Geld. Also gut, ich sorge dafür, dass du welches bekommst.«
    Im Café du Foy tagt die Patriotische Gesellschaft des Palais Royal. Alle halbe Stunde treffen neue Nachrichten aus Versailles ein. Der Klerus läuft in Scharen über. Morgen, wird gemunkelt, kommen fünfzig Adlige dazu, angeführt von d’Orléans.
    Die Patriotische Gesellschaft stellt einvernehmlich fest, dass ein Teuerungskomplott im Gange ist. Hamsterer in hohen Positionen hungern das Volk aus, um es gefügig zu machen. Es kann nicht anders sein, schließlich steigt der Brotpreis tagtäglich.
    Der König zieht Truppen von der Grenze ab, sie sind bereits im Anmarsch, Tausende von deutschen Söldnern. Die unmittelbare Gefahr freilich geht von den Briganten aus, wie alle sie nennen. Sie kampieren vor den Toren von Paris, und trotz aller Sicherheitsvorkehrungen gelangen Nacht für Nacht ein paar mehr von ihnen in die Stadt. Es sind die Flüchtlinge aus den verarmten Provinzen, wo der Hagelsturm und der strenge Winter die Felder verwüstet haben – hungrig und gewalttätig streifen sie durch die Straßen wie Propheten, Knotenstöcke in den Händen; durch die Lumpen, die sie am Leib tragen, spießen ihre Rippen hervor. Nur wenige Frauen wagen sich noch ohne Begleitung auf die Straße. Meister bewaffnen ihre Lehrjungen mit Axtgriffen. Ladenbesitzer lassen sich stärkere Schlösser einbauen. Dienstmägde verstecken Küchenmesser unter ihren Schürzen, wenn sie um Brot anstehen. Dass die Briganten auch ihr Gutes haben, fällt nur den ganz Scharfsichtigen auf: der Patriotischen Gesellschaft des Palais Royal.
    »Und sind deine Großtaten schon bis nach Guise gedrungen?«, fragte Fréron Camille.
    »Ja, mein Vater schickt mir einen dicken Packen Ermahnungen. Und diesen Brief habe ich bekommen.« Er hielt ihn Fréron hin. Der Brief kam von seinem Vetter oder auch nicht Vetter Antoine Saint-Just, dem berüchtigten jugendlichen Straftäter aus Noyon. »Lies ihn«, sagte er. »Du kannst ihn auch gleich laut vorlesen.«
    Fréron nahm den Brief. Eine winzige Krakelschrift. »Warum liest du ihn nicht selbst vor?«
    Camille schüttelte den Kopf. In kleiner Runde zu sprechen, brachte er nicht über sich. ( »Wieso nicht?« Er sah wieder Fabres Gesicht vor sich, Fabre in tiefster Nacht, außer sich vor Zorn: »Wieso soll das schwerer sein, als vor einer großen Menge zu reden? Erklär mir das!« )
    »Wie du willst«, sagte Fréron. Ihm persönlich konnte es nur recht sein, wenn Camille in Alltagsfragen nicht zu tüchtig wurde.
    Der Brief enthielt höchst interessante Neuigkeiten: Unruhen in der ganzen Picardie – aufgebrachte Volksmengen auf den Straßen – brennende Häuser – Müller und Gutsbesitzer, die um ihr Leben bangten. Aus den Schilderungen klang unterdrücktes Frohlocken.
    »Tja«, sagte Fabre, »ich kann es kaum erwarten, deinen Vetter kennenzulernen! Scheint ja ein ausgemacht netter, friedliebender Zeitgenosse zu sein.«
    »Mein Vater erwähnt das alles mit keinem Wort.« Camille nahm den Brief wieder an sich. »Meint ihr, Antoine übertreibt?« Stirnrunzelnd sah er auf die Seiten hinab. »Oje, seine Orthographie wird auch nicht besser … Er wünscht sich so dringend, dass etwas passiert, er hat sonst nicht viel vom Leben … Sonderbare Interpunktion, muss ich sagen, und dann diese Groß- und Kleinschreibung … Ich glaube, ich gehe nach Les Halles und schwatze ein bisschen mit den Marktleuten.«
    »Noch eins von deinen heimlichen Lastern, Camille?«, erkundigte

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