Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
nicht restlos hinter dem Herzog stehen.«
»Manche von uns fragen sich ohnehin schon, was den Leuten blüht, die nicht restlos hinter ihm stehen.«
Camille wartete. Laclos dachte: Wie wär’s mit einer Fahrkarte nach Pennsylvania? Ein Quäkerdasein täte dir sicher gut. Oder wir tunken dich kurz in die Seine. Laut sagte er: »Halten Sie sich an den Herzog, mein Junge. Ich verspreche Ihnen, Sie kommen auf Ihre Kosten.«
»Oh, ganz sicher tue ich das.« Camille lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Haben Sie schon mal daran gedacht, Laclos, dass vielleicht Sie mir zu meiner Revolution verhelfen, nicht umgekehrt? Dass es wie in einem dieser Romane sein könnte, wo die Figuren die Zügel in die Hand nehmen und der Autor auf der Strecke bleibt?«
Laclos schlug mit der Faust auf den Tisch. »Sie müssen es immer bis zum Äußersten ausreizen, wie? Sie müssen immer das letzte Wort behalten?«
»Laclos«, sagte Camille, »alle starren Sie an.« So war kein konspiratives Gespräch möglich. Laclos entschuldigte sich, als sie sich trennten. Er war zornig auf sich, dass er einen kleinen Flugblattschreiber angebrüllt hatte, und die Entschuldigung war seine Form der Buße. Im Hinausgehen musste er seinen gewohnten weltmännischen Ausdruck erst wiederherstellen. Camille sah ihm nach. So wird das nichts, dachte er. Wenn es so weitergeht, werde ich keine Seele mehr zu verkaufen haben, wenn jemand mir ein wirklich lohnendes Angebot macht. Er eilte davon, um d’Anton die frohe Botschaft zu überbringen, dass er bestochen werden sollte.
11. JULI : Camille erschien in Robespierres Unterkunft in Versailles. »Mirabeau hat dem König gesagt, er soll seine Truppen aus Paris abziehen«, verkündete er. »Der König weigert sich, aber auf die Truppen ist kein Verlass. Die Königin und ihr Klüngel versuchen M. Necker aus dem Amt zu bugsieren. Und jetzt sagt der König, er will die Nationalversammlung in die Provinz schicken.«
Robespierre schrieb einen Brief an Augustin und Charlotte. Er sah auf. »Die Generalstände nennt er sie noch.«
»Richtig. Und deshalb wollte ich schauen, ob du schon packst.«
»Ganz und gar nicht. Ich richte mich ja erst ein.«
Camille drehte eine Runde durchs Zimmer. »Du bist sehr ruhig.«
»Das leere Geschwätz in der Versammlung ist eine gute Übung in Geduld.«
»Ja, du hältst wenig von deinen Kollegen. Und Mirabeau hasst du.«
»Du trägst sehr stark auf.« Robespierre legte die Feder hin. »Camille, komm her, lass dich anschauen.«
»Nein, warum?«, sagte Camille nervös. »Max, sag mir, was ich tun soll. Meine Überzeugungen werden aufgeweicht. Die Republik – darüber lacht der Comte nur. Er treibt mich zum Schreiben, er sagt mir, was ich schreiben soll, er lässt mich kaum aus den Augen. Ich esse jeden Abend an seiner Seite. Das Essen ist gut, der Wein auch, die Unterhaltung erst recht.« Er warf die Hände in die Höhe. »Er verdirbt mich.«
»Sei kein solches Tugendschaf«, sagte Robespierre zu seiner Überraschung. »Er kann dir in der Welt weiterhelfen, und das ist es, was du im Augenblick brauchst. Du solltest dort sein, nicht hier. Ich kann dir nicht das geben, was er dir gibt.«
Robespierre weiß – wie fast immer – schon jetzt, was passieren wird. Camille ist klug und gewitzt, aber es fehlt ihm an Selbsterhaltungstrieb. Mirabeau zeigt sich mit ihm in der Öffentlichkeit, einen Arm um seine Schultern gelegt, als wäre Camille ein Flittchen, das er im Palais Royal aufgelesen hat. Es ist abstoßend, und die Beweggründe, die weiterreichenden Pläne des Comte treten so offen zutage, als läge er auf Dr. Guillotins Seziertisch. Für den Moment geht es Camille gut. Der Comte fördert seine Talente. Er genießt die Schmeicheleien, die Beachtung; dann kommt er und will die Absolution. Ihre Beziehung ist in die alten Muster zurückgefallen, als wäre das vergangene Jahrzehnt nicht mehr als ein Lidschlag gewesen. Robespierre weiß genauestens, welche Enttäuschung auf Camille wartet, aber es ist zwecklos, ihn warnen zu wollen; da muss er selbst durch. Es ist wie Liebeskummer – jeder muss ihn früher oder später erleben. Zumindest sagen sie das alle.
»Habe ich dir von Anaïs erzählt, meiner Verlobten, wie ich bisher dachte? Augustin schreibt mir, dass ich seit neuestem Konkurrenten habe.«
»Was, seit du fort bist?«
»Anscheinend. Sie will offenbar nichts verpassen.«
»Macht es dir etwas aus?«
Er überlegte. »Gut, du weißt ja, an Selbstachtung hat es mir noch nie
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