Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
Wahlmänner werden ihre Miliz auf der Straße haben; die Stadtverwaltung kann sie bewaffnen. Es gibt Waffen im Invalidenhaus, vierzigtausend Musketen –«
»Schlachtfeld?«, sagte Claude. »Verstärkung? Woher weißt du das alles? Wo hast du das gelernt?«
»Was glaubst du, wo?«, fragte sie kalt.
»Wahlmänner? Miliz? Musketen? Und weißt du zufällig auch«, fragte er mit hysterischem Spott, »wo sie Pulver und Blei herbekommen wollen?«
»O ja«, sagte Lucile. »Aus der Bastille.«
Grün war die Farbe, die sie als Erkennungszeichen gewählt hatten – Grün, die Farbe der Hoffnung. Ein Mädchen im Palais Royal hatte Camille ein Stück grünes Band geschenkt, und seitdem hatten die Leute die Läden geplündert, und endlose Meter von Jadegrün, Apfelgrün, Smaragdgrün und Lindgrün schleiften in den staubigen Straßen und im Rinnstein. Im Palais Royal hatten sie Kastanienblätter abgerissen, die nun an Hüten und in Knopflöchern welkten. Der süßlich-stechende Geruch geknickten Blattwerks hing als Wolke über dem Nachmittag.
Bis zum Abend bildeten sie eine Armee, die hinter ihren eigenen Bannern hermarschierte. Die Hitze ließ auch nachts nicht nach, bis irgendwann das Gewitter losbrach und Donnergrollen dem Peitschen und Krachen der Schüsse und dem Scheppern von berstendem Glas Konkurrenz machte; Leute sangen, Kommandos wurden ins Dunkel geplärrt, die ganze Nacht hindurch hörte man Stiefel über die Kopfsteine trampeln, hörte Stahl klirren. Blitze flackerten über den Himmel und erhellten die verwüsteten Straßen, und Windstöße trugen den Rauch der brennenden Zollschranken durch die Luft. Um Mitternacht sagte ein betrunkener Grenadier zu Camille: »Irgendwoher kenn ich dich.«
Frühmorgens, im Regen, traf er Hérault de Séchelles, aber inzwischen erstaunte ihn gar nichts mehr, er hätte nicht mit der Wimper gezuckt, wenn er sich Schulter an Schulter mit der Gräfin du Barry wiedergefunden hätte. Das Gesicht des Richters war rußverschmiert, sein Rock am Rücken ganz zerfetzt. In einer Hand hielt er eine kostbare Duellpistole – eine von zweien, die für Maurice de Saxe angefertigt worden waren – und in der anderen ein Fleischerbeil.
»Aber die Verschwendung, die Verantwortungslosigkeit«, sagte Hérault. »Sie haben das Lazaristenkloster geplündert. All diese schönen Möbel dort, und das Silber, mein Gott. O ja, die Keller auch, jetzt liegen sie in der Gosse und übergeben sich. Wie bitte? Versailles? Sagten Sie ›damit Schluss machen‹ oder ›mit ihnen Schluss machen‹? In letzterem Fall sollte ich mir besser Kleider zum Wechseln holen, ich kann ja schlecht so im Palast auftauchen. Nein, wirklich«, und er schwang das Beil über den Kopf und stürzte sich wieder in die Menge, »das schlägt Aktenstudieren um Längen.« Noch nie war er so glücklich gewesen, in seinem ganzen Leben nicht.
Herzog Philippe hatte den 12. in seinem Schloss in Raincy im Wald von Bondy verbracht. Als er von den Vorgängen in Paris hörte, bekannte er sich »in hohem Maße überrascht und entsetzt«. »Was mir«, so seine ehemalige Geliebte Mrs. Elliot, »sehr glaubhaft vorkam.«
Beim Morgenempfang des Königs am Vormittag des 13. wurde Philippe zunächst ignoriert, dann von Seiner Majestät (unwirsch) gefragt, was er wolle – und daraufhin beschieden, dahin zurückzukehren, wo er hergekommen sei. Philippe brach denkbar missgelaunt nach seinem Sitz in Mousseaux auf und schwor (laut Mrs. Elliot), dass »die ihn zum letzten Mal gesehen« hätten.
Am Nachmittag kehrte Camille in den Cordeliers-Distrikt zurück, noch immer gefolgt von dem betrunkenen Grenadier mit seinem sturen »Von irgendwoher kenn ich dich«. Außerdem waren vier blutdürstige, aber nüchterne Gardisten bei ihm, denen der Tod durch die Hand der Menge drohte, falls ihm ein Haar gekrümmt wurde, dazu mehrere aus dem Force-Gefängnis entflohene Strafgefangene und ein derbes Marktweib mit gestreiftem Rock, Wollhaube, einem breiten Küchenmesser und einer lästerlichen Zunge. Du gefällst mir, Kleiner, versicherte sie ihm, du gehst nirgends mehr ohne mich hin. Eine hübsche junge Frau hatte eine Pistole im Gürtel ihres Reitkleids stecken und trug ihr braunes Haar mit einem roten und einem blauen Band nach hinten gebunden.
»Warum kein Grün mehr?«, fragte er sie.
»Irgendwem ist aufgefallen, dass Grün die Farbe des Comte d’Artois ist. Das darf natürlich nicht sein – deshalb sind es jetzt die Pariser Farben, Rot und Blau.« Sie
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