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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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passieren, dass ich für die Revolution Opfer bringen muss. Das wäre für mich keine Überwindung, es ist das, was ich –«
    »Was für Opfer?«
    »Mein Leben zum Beispiel.«
    »Wovon redest du?«
    »Dann würde sie zum zweiten Mal Witwe.«
    »Hast du mit Lucile konferiert? Die ist in diesen Dingen Expertin. Die Beulenpest könnte ausbrechen. Oder man könnte von einer Kutsche überfahren werden. Oder von den Österreichern erschossen, was zugegebenermaßen nicht ganz unwahrscheinlich ist. Also gut – irgendwann stirbst du. Aber wenn sich jeder davon irremachen ließe, würde die Menschheit aussterben, weil keiner mehr Nachwuchs bekäme.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Robespierre unbeholfen. »Für dich ist es richtig zu heiraten, selbst wenn dein Leben in Gefahr schwebt. Aber nicht für mich. Für mich ist es nicht richtig.«
    »Sogar Priester heiraten inzwischen. Du hast ihnen in der Versammlung das Recht darauf erwirkt. Du handelst wider den Zeitgeist.«
    »Was die Priester tun und was ich tue, sind zwei völlig verschiedene Fragen. Die meisten von ihnen waren nicht für den Zölibat geschaffen, wir haben einen Missstand beendet.«
    »Und dir fällt der Zölibat so leicht?«
    »Um leicht oder nicht leicht geht es hier nicht.«
    »Was ist mit dem Mädchen in Arras – Anaïs, so hieß sie doch? Hättest du sie geheiratet, wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten?«
    »Nein.«
    »Dann liegt es also nicht an Adèle?«
    »Nein.«
    »Du willst einfach nicht verheiratet sein?«
    »Ja.«
    »Aber nicht aus Gründen, die du mir sagen willst?«
    »Setz mich nicht unter Druck, wir sind hier nicht bei Gericht.« Gequält stand er auf. »Oh, du hältst mich für gefühllos, aber das bin ich nicht. Ich will alles, was andere Menschen auch wollen – aber es fügt sich nicht so, nicht für mich. Ich kann mich nicht binden, wenn ich weiß – wenn ich befürchten muss –, dass die Zukunft …«
    »Machen Frauen dir Angst?«
    »Nein.«
    »Denk bitte ehrlich über meine Frage nach.«
    »Ich bemühe mich immer, ehrlich zu sein.«
    »Vom Praktischen her gesehen«, sagte Camille ätzend, »wird dein Leben dadurch nicht gerade einfacher. Du willst das vielleicht nicht wahrhaben, aber du übst eindeutig einen Reiz auf Frauen aus. In Gesellschaft drängen sie dich an die Wand und schieben dir ihre Dekolletees ins Gesicht. Von der Galerie schwappen förmlich Wellen der Fleischeslust herunter, wenn du zur Gegenrede ansetzt. Bisher hat sie der Glaube gebändigt, dass du vergeben bist, aber was wird jetzt? Sie werden in der Öffentlichkeit Jagd auf dich machen und dir die Kleider vom Leib reißen. Das muss dir klar sein.«
    Robespierre setzte sich wieder. Seine Züge waren starr vor Bestürzung und Ekel.
    »Also. Nenn mir deinen wahren Grund.«
    »Ich habe ihn dir genannt. Besser kann ich es nicht erklären.« In seinem Hinterkopf regte sich etwas, ein vages Grauen. Das Gesicht einer Frau, ihre Lippen zusammengepresst, ihr Haar mit einem Band nach hinten gerafft; ein Prasseln von Feuerholz, Fliegengesumm. Hilflos sah er auf. »Entweder du verstehst mich, oder du verstehst mich nicht. Irgendetwas wollte ich sagen … Du hättest nicht so wütend werden dürfen, jetzt fällt es mir nicht mehr ein. Aber ich brauche deine Hilfe.«
    Camille ließ sich in einen Sessel fallen. Eine Zeitlang sah er zur Decke hinauf, die Arme lose über den Sessellehnen. »In Ordnung«, sagte er dann leise. »Ich kümmere mich darum. Denk nicht mehr daran. Du hast Angst, wenn du Adèle heiratest, wirst du sie lieben. Wenn du Kinder hast, wirst du sie mehr lieben als alles auf der Welt, mehr als den Patriotismus, mehr als die Demokratie. Wenn deine Kinder heranwachsen und zu Verrätern am Volk werden, wirst du dann ihren Tod fordern können, wie es die Römer konnten? Vielleicht ja, vielleicht aber auch nein. Du hast Angst, wenn du Menschen liebst, könnte dich das von deiner Pflicht ablenken, aber es ist eine eigene Form von Liebe, nicht wahr, die dir diese Pflicht auferlegt? Letztlich ist das Ganze meine Schuld, meine und Annettes. Uns gefiel die Idee, also haben wir alles darangesetzt. Du warst zu höflich, um unsere Pläne zu durchkreuzen. Du wärst nie so weit gegangen, sie auch nur zu küssen. Nie und nimmer wärst du das. Ich weiß, du hast deine Arbeit. Kein anderer wird auf sich nehmen, was du auf dich nimmst, und darum machst du dich soweit wie nur möglich von menschlichen Bedürfnissen und menschlichen Schwächen frei. Ich wünschte – ich

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