Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
bezahlen.
An einem schönen Junitag fuhr Philippe Agnès de Buffon in seinem englischen Jagdwagen auf der Straße nach Vincennes spazieren, als sich ihnen in hohem Tempo eine elegante, sehr große und neue Berline näherte.
Der Herzog hielt sie mit einem Peitschenschnalzen an. »Na, Fersen, wollen Sie sich partout den Hals brechen?«
Der Liebhaber der Königin, der schmalgesichtige, geschmeidige schwedische Graf: »Ich probiere meinen neuen Reisewagen aus, Monsieur.«
»Ah ja?« Philippe begutachtete die modischen zitronengelben Räder, den dunkelgrünen Aufbau und die Nussbaumbeschläge. »Wollen Sie auf Reisen gehen? Eine Spur zu groß, meinen Sie nicht? Nehmen Sie sämtliche Ballettratten der Opéra mit?«
»Nein, Monsieur.« Fersen neigte unterwürfig das Haupt. »Die überlasse ich alle Ihnen.«
Der Herzog sah der Kutsche nach, die wieder an Fahrt aufnahm. »Hmm«, sagte er zu Agnès, »es sähe Louis ähnlich, in so einem Aufzug zur Grenze zu wollen.«
Agnès wandte mit unbehaglichem Lächeln den Blick ab; die Vorstellung, dass Philippe bald König sein könnte, war ihr alles andere als geheuer.
»Und du schau nicht so tugendhaft drein, Fersen«, bemerkte der Herzog zu der Staubwolke, die über der Straße hing. »Jeder weiß doch, was du treibst, wenn du nicht in den Tuilerien bist. Seine Neueste ist eine Zirkusakrobatin, alles, was recht ist. Nicht, dass ich irgendeinem Mann diese habsburgische Schindmähre als einzigen Trost wünschen würde.« Er gab dem Pferd die Zügel.
Der kleine Antoine wurde um sechs Uhr wach und sah den Sonnenstrahlen zu, die zu den Ritzen des Fensterladens hereinkrochen. Als ihm das zu langweilig wurde, schrie er nach seiner Mutter.
Innerhalb von Sekunden beugte sich Gabrielle über sein Bettchen, ihre Züge noch ganz weich und verschlafen. »Du Tyrannenkind«, flüsterte sie. Er streckte ihr die Ärmchen entgegen. Schscht, machte sie und hielt ihm den Finger an die Lippen, während sie ihn hinüber ins Schlafzimmer trug. Das Doppelbett stand in einem Alkoven, mit einem Vorhang davor, um den Privatbereich von dem patriotischen Rummel abzuschirmen, der tagaus, tagein durch ihr Schlafzimmer tobte. Lucile klagte über das gleiche Problem. Vielleicht sollten sie umziehen, sich etwas Größeres suchen? Aber nein, jeder kannte Dantons Haus, er würde nirgendwo anders hinwollen. Das und der schiere Aufwand …
Sie stieg in ihr Bett, zog den kleinen warmen Körper eng an sich. Im Nachbarbett schlief sein Vater, das Gesicht in die Kissen gedrückt.
Um sieben ging die Türklingel. Ihr Herz machte einen erschrockenen Satz. So früh, das konnte nichts Gutes bedeuten. Sie hörte Catherines Proteste, dann flog die Schlafzimmertür auf. »Fabre!«, sagte sie. »Mein Gott, was ist los? Sind die Österreicher da?«
Fabre stürzte zu ihrem Mann, rüttelte ihn. »Danton, sie sind über Nacht geflohen. Der König, seine Frau, seine Schwester, der Dauphin, der ganze verfluchte Haufen.«
Danton rührte sich, setzte sich auf. Er schien sofort hellwach – hatte er am Ende gar nicht geschlafen? »Für die Sicherheit war Lafayette zuständig. Entweder er ist vom Hof gekauft und hat uns verraten, oder er ist ein unfähiger Trottel.« Er puffte Fabre gegen die Schulter. »Jetzt hab ich ihn da, wo ich ihn haben wollte. Hol mir was zum Anziehen, ja, Mädchen?«
»Wohin willst du?«
»Erst zu den Cordeliers, Legendre Bescheid sagen, damit er unsere Leute zusammenruft. Dann ins Rathaus, dann zur Manege.«
»Und wenn sie uns entkommen?«, fragte Fabre.
Danton fuhr sich übers Kinn. »Würde das etwas ausmachen? Solange es genügend Zeugen für ihre Flucht gibt?«
Sie kamen sehr schnell, seine Antworten, sehr bündig. Fabre fragte: »Wusstest du, dass das passieren würde? Wolltest du es?«
»Außerdem entkommen sie uns nicht. Eine Woche höchstens, dann sind sie wieder hier. Louis versiebt alles. Armer Teufel«, schob er grüblerisch nach. »Manchmal tut er mir fast leid.«
GRACE ELLIOT : »Ich bin fest überzeugt, dass Lafayette in den Plan eingeweiht war und ihn hinterher aus purer Angst verraten hat.«
Georges-Jacques Danton bei den Cordeliers: »Durch ihr Festhalten an der Erbmonarchie hat die Nationalversammlung Frankreich einem Knechtsdasein ausgeliefert. Lasst uns ein für alle Mal Namen und Amt des Königs abschaffen; lasst uns dieses Königreich zur Republik machen.«
Alexandre de Beauharnais, Präsident der Versammlung: »Meine Herren, der König ist heute Nacht geflohen. Gehen wir
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