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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Selbstbetrügern besteht, heißt das noch längst nicht … Muss ich meine Meinung ändern, nur weil der Mann tot ist?«
    »Teufel auch«, sagte Danton beeindruckt und machte, dass er wegkam.
    Es wurde dunkel. Lucile war in der Rue Condé. Zehn Minuten vergingen; Camille saß in dem unerleuchteten Zimmer. Jeanette steckte den Kopf zur Tür herein. »Möchten Sie vielleicht jemanden zum Reden?«
    »Nein.«
    »Aber der Abgeordnete Robespierre ist hier.«
    »Doch, mit Robespierre rede ich.«
    Er hörte ihre taktvolle Kleine-Leute-Stimme vor der Tür. Immer gerate ich an Mütter, dachte er: Mütter und gute Freunde.
    Robespierre sah abgespannt und verhärmt aus, seine blasse Haut hatte einen Gelbstich. Unsicher zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich Camille gegenüber. »Schläfst du nicht genug?«, fragte Camille ihn.
    »Nein, die letzten Nächte waren schlecht. Ich habe Alpträume, und dann wache ich auf und bekomme nicht richtig Luft.« Er drückte eine zaghafte Hand an die Rippen. Ihm graute vor dem bevorstehenden Sommer, diesem erstickenden Wall aus Hitze, zu dem Mauern, Straßen und öffentliche Gebäude zusammenklumpen würden. »Ich wünschte, ich wäre robuster. Mein Arbeitspensum führt mich im Moment doch sehr an meine Grenzen.«
    »Wollen wir eine Flasche köpfen und auf den glorreichen Verstorbenen trinken?«
    »Nein danke. Ich habe in letzter Zeit zu viel getrunken«, sagte er entschuldigend. »Ich versuche, nicht schon am Nachmittag anzufangen.«
    »Für mich ist kein Nachmittag mehr«, sagte Camille. »Max, was wird jetzt geschehen?«
    »Der Hof wird sich einen neuen Berater suchen. Und die Versammlung einen neuen Herrn. Er war ihr Herr, und sie haben Sklavensinn – um mit Marat zu sprechen.« Robespierre rückte seinen Stuhl ein paar Zentimeter nach vorn. Sie verstanden sich ohne Worte; nur sie hatten Mirabeau wahrhaft gekannt, sie ganz allein. »Das ist Barnaves große Stunde. Wobei er kaum an Mirabeau heranreichen kann.«
    »Max, du hast Mirabeau gehasst.«
    »Nein.« Er sah rasch auf. »Ich hasse nicht. Hass trübt das Urteilsvermögen.«
    »Ich habe kein Urteilsvermögen.«
    »Nein. Deshalb versuche ich dich ja anzuleiten. Du kannst Ereignisse einschätzen, aber nicht Menschen. Du standest Mirabeau zu nahe. Du hast dich in Gefahr gebracht.«
    »Ja. Aber ich hatte ihn gern.«
    »Ich weiß. Und ich sehe ein, dass er gütig zu dir war, er hat dir Selbstvertrauen gegeben. Ich glaube fast – er wollte dir ein Vater sein.«
    Großer Gott, dachte Camille, war das dein Eindruck? Ich fürchte, meine Gefühle waren nicht ganz die eines Sohnes. »In Vätern kann man sich täuschen.«
    Max schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »In Zukunft müssen wir uns vor persönlichen Bindungen in Acht nehmen. Wir werden sie möglicherweise ganz abstreifen müssen …« Er brach ab, als ihm klar wurde, dass ihm sein eigentliches Anliegen schon herausgerutscht war.
    Camille sah ihn an, ohne zu sprechen. Nach einer Weile: »Vielleicht bist du ja gar nicht hier, um über Mirabeau zu reden? Vielleicht bist du ja gekommen, um mir zu eröffnen, dass du Adèle nicht heiraten wirst?«
    »Ich will niemandem wehtun. Das ist der Hauptgrund.«
    Robespierre wich dem Blick des Freundes aus. Einen Moment lang saßen sie stumm da. Jeanette kam herein, lächelte beiden zu und zündete die Lampen an. Als sie fort war, sprang Camille auf die Füße. »So leicht kommst du mir nicht davon.« Er klang sehr wütend.
    »Es ist schwer zu erklären. Hab ein wenig Geduld.«
    »Und ich soll es ihr sagen? Geht es darum?«
    »Ja, das hatte ich gehofft. Ich wüsste ernstlich nicht, was ich sagen sollte. Weißt du, ich habe das Gefühl, ich kenne sie kaum.«
    »Du musst doch gewusst haben, was du tust!«
    »Schrei mich nicht an. Es gab keinerlei konkrete Abmachung, nichts war besprochen. Und ich kann so nicht weitermachen. Je länger es geht, desto schlimmer wird es. Es gibt so viele Männer, die sie heiraten könnte, viel geeignetere als mich. Ich weiß nicht einmal, wie sich das Ganze ergeben hat. Bin ich denn ein Mann, der ans Heiraten denken darf?«
    »Wieso nicht?«
    »Weil … weil ich die ganze Zeit arbeite. Ich arbeite, weil es meine Pflicht ist, so empfinde ich es. Ich kann keine Zeit für eine Familie erübrigen.«
    »Aber du musst manchmal essen, Max, du musst irgendwo schlafen, du brauchst ein Dach überm Kopf. Selbst du musst ab und zu eine Stunde ausruhen. Adèle weiß, was sie erwartet.«
    »Es geht nicht nur darum. Es könnte

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