Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
wünschte, ich könnte dir besser helfen.«
Robespierre forschte in seinem Gesicht nach Anzeichen für Boshaftigkeit oder Unernst, entdeckte aber keine. »Als Kinder«, sagte er, »hatten wir beide kein ganz leichtes Leben, nicht wahr? Aber wir haben zusammengehalten. Die Jahre in Arras, die Jahre dazwischen, das waren die schwersten. Jetzt bin ich nicht mehr so einsam.«
»Hmm.« Camille suchte nach irgendeiner Formel, mit der sich das Unfassliche fassen ließ. »Deine Braut ist die Revolution«, sagte er. »So wie die Kirche die Braut Christi ist.«
»Nun gut«, sagte Adèle. »Dann wird mir ab jetzt also Jérôme Pétion in den Ausschnitt schnaufen und Gefühlsduseleien in mein Ohr raunen. Kommen Sie, Camille, denken Sie, ich hätte das nicht schon vor Wochen begriffen? Lernen Sie aus Ihren Fehlern, ja, und lassen Sie in Zukunft die Finger vom Ehestiften.«
Er staunte, dass sie es so gut aufnahm. »Gehen Sie jetzt in Ihr Kämmerlein und weinen?«
»Nein, ich muss nur … ein bisschen umdenken.«
»Es gibt viele Männer, Adèle.«
»Wem sagen Sie das?«
»Und meinen Sie, Sie können ihm noch unter die Augen treten?«
»Aber sicher. Man kann schließlich befreundet sein, nicht wahr? Das ist ja wohl das, was er möchte?«
»Ja, unbedingt. Bin ich froh. Andernfalls hätte mich das in ziemliche Bedrängnis gebracht.«
Sie sah ihn liebevoll an. »Was sind Sie doch für ein selbstsüchtiger kleiner Mistkerl, Camille.«
Danton brach in Lachen aus. »Dieser Eunuch«, sagte er. »Das Mädel kann froh sein, dass er die Farce nicht noch weiter getrieben hat. Oh, ich hätte es mir doch gleich denken können.«
»Spar dir deine Triumphgesänge.« Camille war düster gestimmt. »Versuch lieber zu verstehen.«
»Verstehen? Ich verstehe alles bestens. Nichts leichter als das.«
Er machte sich auf, um die frohe Botschaft im Café des Arts zu verbreiten. Er habe es aus erster Hand, verkündete er, dass der Abgeordnete Robespierre impotent sei. Er erzählte es seinen Kollegen im Rathaus und einigen Dutzend Abgeordneten aus seiner näheren Bekanntschaft; er erzählte es den Schauspielerinnen hinter den Kulissen des Théâtre Montansier und fast der gesamten Mitgliedschaft des Cordeliers-Clubs.
Im April 1791 wendete der Abgeordnete Robespierre eine Besitzauflage für künftige Deputierte ab und verteidigte die Redefreiheit. Im Mai sprach er für die Pressefreiheit, gegen die Sklaverei und verlangte Bürgerrechte für die Mulatten in den Kolonien. Als es um die Zusammensetzung einer neuen Legislative ging, plädierte er dafür, dass die Mitglieder der jetzigen Versammlung nicht zur Wiederwahl antreten dürften, sondern neuen Leuten Platz machen sollten. Zwei Stunden lauschte man ihm in respektvollem Schweigen, und der Antrag wurde angenommen. In der dritten Maiwoche warfen nervliche Anspannung und Überarbeitung ihn aufs Krankenlager.
Ende Mai forderte er erfolglos die Abschaffung der Todesstrafe.
Am 10. Juni wurde er zum Öffentlichen Ankläger gewählt. Der oberste Richter der Stadt legte daraufhin aus Protest sein Amt nieder. Den freigewordenen Posten bekam Pétion. Man sieht, nach und nach gelangen unsere Leute in die Positionen, für die sie sich von Anfang an bestimmt glaubten.
4. Apostelgeschichten
(1791)
Ende der Fastenzeit. Der König gelangt zu dem Schluss, dass er die Kommunion am Ostersonntag nicht aus den Händen eines vereidigten Priesters empfangen möchte. Ebenso wenig möchte er anecken und die Patrioten erzürnen.
Er beschließt daher, ein stilles Ostern in Saint-Cloud zu verbringen, fern von den kritischen Blicken der Stadt.
Seine Pläne werden ruchbar.
PALMSONNTAG im Rathaus:
»Lafayette.«
Dem General schwante jetzt schon immer Übles, wenn er die Stimme hörte. Danton baute sich jedes Mal so dicht vor ihm auf, dass Lafayette zu dem zerklüfteten Gesicht hinaufsprechen musste.
»Lafayette, heute Morgen hat ein eidverweigernder Priester in den Tuilerien die Messe gelesen.«
»Da sind Sie besser unterrichtet als ich«, sagte Lafayette. Sein Mund war trocken.
»Wir lassen uns das nicht bieten«, sagte Danton. »Der König hat den Änderungen in der Kirche zugestimmt. Er hat sie abgezeichnet. Wenn er sich drückt, wird es Repressalien geben.«
»Die Nationalgarde«, sagte Lafayette, »wird den Bereich vor den Tuilerien für den Aufbruch der königlichen Familie nach Saint-Cloud abriegeln, und wenn nötig, gebe ich ihnen Geleitschutz. Kommen Sie uns nicht in die Quere, Danton.«
Danton
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