Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
ich auch. Aber glaub mir, ich habe sie fest an der Kandare.«
»Das bezweifle ich.«
»Denkst du, ich lasse mich von dieser Bagage herumkommandieren?«
»Philippe, du bist nicht der Mann, der ihren Ambitionen Grenzen setzt. Sie werden dich verschlingen, dich und deine Kinder – und alles, alles, was dir lieb und teuer ist. Wer den einen König stürzt, der kann auch einen anderen stürzen, begreifst du das nicht? Meinst du, sie werden irgendwelche Skrupel zeigen, wenn du nicht in allem exakt nach ihrer Pfeife tanzt? Und du wärst im besten Fall ein Lückenbüßer für sie – so lange, bis sie das Gefühl hätten, sie brauchen gar keinen König mehr.« Sie holte Atem. »Erinnere dich, Philippe – erinnere dich an die Zeit, bevor die Bastille fiel. Louis pflegte dir zu sagen, geh hierhin, geh dorthin – komm zurück nach Versailles, lass dich nicht in Versailles blicken – du weißt doch, wie es war. Du warst unfrei. Und in dem Augenblick, in dem du jetzt sagst, ›Ja, ich will den Thron‹, wirst du wieder unfrei sein. Von dem Tag an wirst du im Gefängnis sitzen. Oh, keinem Gefängnis mit Gittern und Ketten – nein, einem hübschen Gefängnis, das M. Danton dir einrichtet. Einem Gefängnis mit Zivilliste und Etikette und Vortrittsrecht und den reizendsten Geselligkeiten, Balletten und Maskenbällen und, ja, sogar Pferderennen.«
»Ballett mag ich nicht«, sagte der Herzog. »Todlangweilig.«
Félicité strich ihren Rock glatt, sah hinab auf ihre Hände. Die Hände einer Frau verraten ihr Alter, dachte sie, sie geben alles preis. Früher einmal hatte Hoffnung bestanden, Hoffnung auf eine gerechtere, reinere Welt, und niemand hatte darauf inständiger gehofft und mehr dafür getan als sie. »Ein Kerker«, sagte sie. »Sie werden dich hereinlegen, dich zerstreuen, ablenken – und derweil das Land unter sich aufteilen. Das ist ihr Ziel.«
Er sah zu ihr auf, ihr übergroßes Kind. »Du denkst, dass sie schlauer als ich sind, nicht wahr?«
»Oh, viel schlauer, mein Liebster, viel, viel schlauer.«
Nun wich er ihrem Blick aus. »Ich war mir meiner Grenzen immer bewusst.«
»Was dich weiser macht, als es die meisten sind. Und deutlich weiser, als diese Intriganten dir zutrauen.«
Das hörte er gern. Vage kam ihm die Idee, dass er ihnen eine Nase drehen könnte. Sie hatte so leise gesprochen, als wären es seine eigenen Gedanken. »Was soll ich am besten tun? Sag es mir, Félicité, bitte.«
»Sag dich von ihnen los. Schütze deinen Namen. Weigere dich, ihnen auf den Leim zu gehen.«
»Dann willst du also« – er sagte es widerstrebend –, »dass ich vor die Versammlung trete und Nein sage? Nein, ich will den Thron nicht, ich habe zwar so getan als ob, aber es war nicht so gemeint?«
»Nimm dieses Blatt. Hier. Setz dich da hin. So, und nun schreibe, was ich dir diktiere.«
Sie beugte sich über seine Schulter. Die Worte waren in ihrem Kopf ausformuliert. Das war knapp, dachte sie. Das hätte ins Auge gehen können. Wenn ich ihn von allen Einbläsern fernhalten könnte, allen anderen Einflüssen – aber das ist unmöglich. Ich konnte von Glück sagen, ihn eine Stunde für mich allein zu haben.
Rasch nun – ehe er es sich anders überlegte. »Und jetzt unterschreiben. So, geschafft.«
Philippe warf die Feder hin. Tinte spritzte über die Rosen, die Bänder, die Geigen. Er schlug die Hand an die Stirn. »Laclos wird mich umbringen«, sagte er.
Félicité stieß gurrende Laute aus, als gälte es, einen Säugling mit Bauchkrämpfen zu beruhigen, und nahm das Blatt an sich, um Philippes Zeichensetzung zu korrigieren.
Als der Herzog Laclos von seiner Entscheidung in Kenntnis setzte, verneigte sich dieser kaum merklich aus der Schulter. »As you wish, Mylord«, sagte er. Warum er Englisch gesprochen hatte, konnte er sich im Nachhinein selbst nicht erklären. In seiner Wohnung drehte er den Kopf zur Wand und leerte mit nachdenklichem, aber mörderischem Gesichtsausdruck eine Flasche Weinbrand.
Bei Danton schlingerte er zu einem bequemen Sessel, sich auf eine entfernt seemännische Art von Möbelstück zu Möbelstück hangelnd. »Etwas Geduld, wenn Sie so gut wären«, sagte er. »Es kann nicht mehr lange dauern, dann gebe ich eine tiefsinnige Bemerkung von mir.«
»Ich geh dann«, sagte Camille. Er war sich nicht sicher, ob er hören wollte, was Laclos zu sagen hatte. Besser, er erfuhr nicht zu viel über Dantons Eisen im Feuer – und auch wenn er wusste, dass sie den Herzog als reines Mittel zum
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