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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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allzu wahr. Und jetzt war es zu spät.
    Würde er schnell sterben oder langsam? Das war eine Frage, die andere entscheiden würden; er hatte keinen Einfluss darauf. Sein Kampf war zu Ende.
    Ganz kurz noch, dachte er, dann darf ich ausruhen. Ganz kurz noch, und ich kann schlafen.
    Die schreckliche Ruhe in seinem Herzen spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
    Mit lässiger Geste streckte der Hundemann die Hand aus. Er fasste ihn beim Revers.
    »Auf die Knie«, befahl er.
    Jemand stieß ihn ins Kreuz. Er strauchelte.
    Er schloss die Augen.
    So also, dachte er.
    Auf offener Straße.
    Jemand rief ihn beim Namen: keine überirdische Stimme, sondern eine sehr irdische, diesseitige.
    Zwei Händepaare zerrten ihn auf die Füße.
    Er hörte den Stoff seines Rockes reißen. Dann Flüche, ein Aufschrei, eine Faust, die den Knochenbau eines menschlichen Gesichts in Unordnung brachte. Er öffnete die Augen und sah den Hundemann mit blutiger Nase dastehen, während einer Frau, die genauso groß wie der Hundemann war, das Blut aus dem Mund lief. Sie sagte: »Frauen anfallen, das könnte dir so passen. Dann schauen wir doch mal, was wir mit der hier abschneiden können, Jungchen.« Und sie zog eine lange Schneiderschere aus ihren Röcken hervor. Eine zweite Frau ein Stück hinter ihr hielt eine kleine Axt in den Händen, wie man sie zum Brennholzhacken benutzte.
    Ehe er noch zu Atem kam, drängten aus einem Hauseingang noch ein Dutzend Frauen. Eine schwang eine Brechstange, eine andere einen Pikenschaft, und alle hatten sie Messer. »Robespierre!«, riefen sie, und aus den Häusern und Läden rannten die Leute herbei und gafften.
    Die Männer mit den Bajonetten waren von ihm abgerückt. Der Hundemann spuckte aus; ein blutverklumpter Speichelbatzen traf die Anführerin ins Gesicht. »Spuck nur, Aristokrat«, höhnte sie. »Zeig mir Lafayette, ich schlitz ihm den Bauch auf und stopf ihn mit Maroni. Robespierre! «, schrie sie. »Wenn schon König, dann Robespierre.«
    »König Robespierre!«, schrien die Frauen. »König Robespierre!«
    Ein Mann kam, hochgewachsen, zur Glatze neigend; er hatte eine saubere Kattunschürze um, und in der Hand hielt er einen Hammer. Mit dem freien Arm bahnte er sich einen Weg durch die Menge. »Ich steh Ihnen bei«, rief er. »Mein Haus ist gleich hier.« Die Frauen wichen zurück. »Der Schreiner Duplay«, sagte eine, »ein guter Patriot, ein guter Meister.«
    Duplay drohte den Gardisten mit seinem Hammer, und die Frauen johlten. »Dreckspack«, sagte er zu den Männern. »Macht, dass ihr wegkommt.« Er nahm Robespierre beim Arm. »Mein Haus ist gleich hier«, wiederholte er, »hier, guter Bürger, schnell. Kommen Sie mit mir.«
    Die Frauen bildeten ein Spalier, streckten die Hände aus, berührten Robespierre. Er folgte Duplay, duckte sich durch eine kleine Tür in einem hohen, wuchtigen Tor. Riegel rasteten ein.
    Im Hof standen Arbeiter in einem Pulk beisammen. Offenbar waren sie drauf und dran gewesen, ihrem Meister auf die Straße nachzueilen. »Zurück an die Arbeit, ihr guten Leute«, sagte Duplay. »Und zieht eure Hemden an. Zeigt man so Respekt?«
    »O nein.« Er versuchte Duplays Blick einzufangen. Sie durften nicht alles umändern, nur weil er da war. In einem struppigen Busch neben dem Tor sang eine Drossel. Es duftete nach frischem Holz. Vor ihm stand das Haus. Er wusste, was er hinter dieser Tür finden würde. Schreiner Duplay hob die Hand und ließ sie schwer auf seine Schulter fallen. »Hier sind Sie in Sicherheit, mein Sohn«, sagte Duplay. Er zuckte nicht zurück.
    Eine große, unscheinbare Frau im dunklen Kleid trat aus der Seitentür. »Vater«, sagte sie, »was ist los, wir haben Geschrei gehört, ist draußen etwas passiert?«
    »Eléonore«, sagte er, »geh hinein und sag deiner Mutter, dass der Bürger Robespierre zu uns gefunden hat.«
    Am 18. Juli marschierte ein Trupp Gendarmen durch die Rue des Cordeliers, um die Révolutions de France vom Erdboden zu tilgen. Sie trafen zwar den Herausgeber nicht an, aber dafür einen seiner Gehilfen, der mit einem Gewehr wedelte. Es folgte ein Schusswechsel. Der Redaktionsgehilfe wurde überwältigt, verprügelt und ins Gefängnis geworfen.
    Als die Polizei im Haus der Charpentiers in Fontenay-sous-Bois ankam, fand sie dort nur einen einzigen Mann vor, der vom Alter her auf Georges-Jacques Danton passte. Das war Victor Charpentier, Gabrielles Bruder. Bis sich der Irrtum herausstellte, lag er schon in einer Blutlache, aber so genau konnte

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