Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
weil man mich dorthin abkommandiert hat. Ich hoffe, Sie und Ihre Kommandeure wissen, was Sie da tun. Ihnen muss klar sein, dass es ein grauenhaftes Blutbad geben wird. Die Schweizer werden bis zum letzten Mann kämpfen.«
»Das habe ich gehört«, sagte Danton. »Ich will, dass Sie wieder zurückgehen.«
»Zurück?« Roederer blieb der Mund offen stehen.
»Ich will, dass Sie den König herausholen.«
»Heraus?«
»Plappern Sie mir nicht alles nach wie ein Papagei. Sie sollen den König herausholen und ihn auf diese Weise zwingen, seine Verteidigung aufzugeben. Ich will, dass Sie jetzt sofort zurückgehen und Louis und Marie Antoinette sagen, wenn sie nicht den Palast verlassen, ihre Truppen zurückpfeifen und sich unter den Schutz der Versammlung stellen, sind sie in ein paar Stunden tot.«
»Aber Sie wollen sie retten? Verstehe ich das richtig?«
»Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?«
»Aber wie soll das gehen? Auf mich werden sie nicht hören.«
»Sagen Sie ihnen, wenn der Mob erst in den Palast eingedrungen ist, kann ich nichts mehr für sie tun. Der Teufel selbst könnte sie dann nicht mehr retten.«
»Aber Sie wollen sie retten?«
»Das wird langsam langweilig. Wir müssen den König und den Dauphin haben, und zwar um jeden Preis. Die anderen sind weniger wichtig, auch wenn ich kein Freund von Gewalt gegen Frauen bin.«
»Preis«, wiederholte der Jurist. Irgendetwas schien in seinem müden Hirn Gestalt anzunehmen. »Preis, Danton. Jetzt verstehe ich.«
Mit einem Satz war Danton bei ihm. Er packte Roederer beim Kragen und schloss die Hand um seine Kehle. »Bringen Sie sie raus, oder ich ziehe Sie persönlich zur Verantwortung. Ich hab Sie im Visier, Roederer.«
Roederer röchelte. Er ruderte mit der Hand, krallte nach Dantons Arm. Um ihn drehte sich das Zimmer. Ich sterbe, dachte er. Die Luft wurde ihm knapp, in seinen Ohren dröhnte es. Danton schleuderte ihn zu Boden. »Da, der erste Kanonenschlag. Sie greifen den Palast an.«
Roederer stützte sich schwach auf einen Ellbogen und sah an Dantons massigem Körper hinauf zu seinem wütenden Gesicht. »Und jetzt holen Sie sie da raus.«
»Vielleicht doch noch die Kleiderbürste«, sagte Camille. »Wir sollen uns vom Pöbel abheben. Sagt Danton.« Er legte sich die blau-weiß-rote Schärpe über die Schulter. »Bin ich vorzeigbar?«
»Oh, du könntest deine Morgenschokolade mit einer Herzogin einnehmen. Wenn es noch Herzoginnen gäbe, die des Schokoladetrinkens fähig sind. Aber wie geht es jetzt weiter?« Lucile konnte die Angst nicht länger aus ihrem Gesicht verbannen.
Louise und Gabrielle warteten noch immer auf Neuigkeiten. Er war nicht sehr gesprächig gewesen bei seiner Ankunft.
»Georges-Jacques bleibt im Rathaus und koordiniert die Ereignisse von da aus. François ist auch dort, er sitzt gleich im Nachbarbüro.«
Louise: »Kann ihm etwas passieren?«
»Nun ja, wenn nicht gerade die Erde erbebt und die Sonne schwarz wie ein härener Sack und der Mond wie Blut wird und der Himmel entweicht, wie ein Buch zusammengerollt wird, und die sieben letzten Engel mit den sieben letzten Plagen kommen – was zugegebenermaßen jederzeit der Fall sein kann –, wüsste ich nicht, was ihm zustoßen sollte. Wir sind alle sicher, solange wir gewinnen.«
»Und im Palast?«, fragte Gabrielle.
»Oh, im Palast gibt es inzwischen bestimmt schon Tote.«
MARIE ANTOINETTE : Wir haben immer noch die Garde.
ROEDERER : Madame, ganz Paris marschiert gegen Sie. Wollen Sie denn ein Massaker am König, an Ihnen und Ihren Kindern verantworten?
MARIE ANTOINETTE : Gott bewahre.
ROEDERER : Die Zeit drängt, Sire.
LOUIS : Meine Herren, ich bitte Sie, nicht auf einer sinnlosen Verteidigung zu beharren und abzurücken. Hier ist nichts mehr zu retten, weder für Sie noch für mich. Gehen wir.
Nach dem Bericht Thomas Blaikies, eines schottischen Gärtners im Dienst des französischen Königshofs:
Es wappneten sich freilich alle für die große Katostrophe am 10. August, nur allzu viele wollten einen Wechsel und es hieß, es wären Männer aus Marseilles gekommen, um die Thuilerien anzugreifen. Die Sache war in aller Munde, und die Thuilerien wurden von der Schweitzerguarde bewacht und noch viele mehr in Schweitzer Uniform sollten kommen, um auf Seiten des König zu kämpfen. Am Abend vorher hörten wir schon, was geplant sei, allein wie es ausgehen würde vermochte sich niemand vorzustellen. Es fiel aber abends am 9. eine Flasche von der Mauer herab und
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