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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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verfügten die sofortige Verhaftung von Brissot und Roland. Robespierre ging nach Hause.
    Als er den Hof überquerte, fing ihn Eléonore Duplay ab. »Stimmt es, dass alle Gefangenen in den Gefängnissen umgebracht werden?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Entgeistert: »Aber Sie müssen es doch wissen, sie können doch so etwas nicht tun, ohne Sie zu fragen.«
    Er streckte den Arm aus und zog sie neben sich, nicht der Nähe wegen, sondern damit ihre Züge ihren Ausdruck veränderten. »Angenommen, es stimmt, meine liebe Eléonore, meine liebe Cornélia, würden Sie um sie weinen? Wenn Sie an die Menschen denken, die in diesen Augenblicken von den Österreichern getötet werden – denen die Österreicher ihre Höfe wegnehmen und das Dach über dem Kopf anzünden –, um wen würden Sie dann weinen?«
    »Ich zweifle an gar nichts«, sagte sie. »Sie können nicht unrecht haben.«
    »Um wen würden Sie weinen?« Er gab die Antwort selbst: »Um beide.«
    Danton blätterte die Papiere auf dem Schreibtisch des Öffentlichen Anklägers durch. Er hatte gern Einblick in die Vorgänge. Letztlich landete ja doch alles bei ihm.
    Als er die beiden Haftbefehle sah, griff er danach, ließ sie fallen. Brissot. Roland. Da lagen sie. Er starrte sie an, und während es in seinem Hirn arbeitete, langsam arbeitete, begann er am ganzen Körper zu zittern wie an dem Morgen, als er vom Tod seines ersten Kindes erfahren hatte. Wer war den ganzen Tag in der Kommune gewesen? Robespierre. Wessen Wort war in der Kommune Gesetz? Sein eigenes und das von Robespierre. Wer hatte diese Haftbefehle veranlasst? Robespierre. Er konnte sich natürlich das Protokoll kommen lassen, er konnte die exakten Worte nachlesen, die den Haftbefehlen vorausgegangen waren, er konnte Schuldzuweisungen vornehmen. Aber es war genauso undenkbar, dass die Kommune diesen Schritt ohne Robespierre getan hatte, wie es undenkbar war, dass Roland und Brissot im Falle einer Verhaftung die Nacht überlebten. Ich muss etwas tun, sagte er sich, ich darf hier nicht stehen wie festgewachsen.
    Louvet, Manon Rolands hübscher, zarter Literatenfreund, berührte ihn am Ellbogen. »Danton«, sagte er, »Robespierre hat Brissot namentlich denunziert …«
    »Das sehe ich.« Er raffte die Haftbefehle an sich. Herrschte Louvet an: »Mein Gott, wie konntet ihr nur so dumm sein? Wie konnte ich es?« Er wedelte mit den Papieren vor seiner Nase herum. »Laufen Sie, Mann, verstecken Sie sich irgendwo.«
    Er faltete die Haftbefehle und steckte sie in die Innentasche seines Mantels. »So. Jetzt muss der Kleine mich schon niederschlagen, wenn er sie zurückhaben will.«
    Louvets Gesicht glühte. »Dann ist also ein neuer Krieg ausgebrochen«, sagte er. »Entweder wir bringen Robespierre um oder er uns.«
    »Erwarten Sie nicht, dass ich Ihren Kopf rette.« Danton hatte ihm die Hand auf die Brust gelegt und drängte ihn vor sich her. »Ich muss mich um mich selber kümmern und um diese verfluchten Deutschen auch noch.«
    Pétion nahm die Haftbefehle und ließ sie, genau wie Danton vor ihm, sofort wieder fallen. » Robespierre hat sie veranlasst?« So was, sagte er, so was, und noch einmal: so was. »Danton, ist es ihm klar? Kann es ihm klar sein? Dass das ihr Tod wäre?«
    »Natürlich ist es ihm klar.« Danton ließ sich in einen Sessel sacken und stützte den Kopf in die Hände. »Morgen gäbe es keine Regierung mehr. Gott allein weiß, was er damit bezweckt hat. Hat er den Verstand verloren, seit ich ihn gestern gesehen habe, oder ist das ein kalkulierter Schachzug – was heißen würde, dass er für sich irgendeine Art von Machtposition im Auge hat – und das hieße, dass er uns seit ’89 belogen hat – gut, nicht direkt belogen vielleicht, aber darauf läuft es hinaus – Pétion, was davon stimmt?«
    Pétion in seiner wachsenden Panik schien eher Selbstgespräche zu führen. »Ich glaube … er ist besser als die meisten von uns, doch, ganz bestimmt ist er das, aber jetzt, unter dem Druck der Ereignisse …« Er brach ab. Auch er galt als Brissots Freund; seine natürliche Abneigung gegen den Mann hatte ihn vor diesem Stigma nicht bewahren können. Seit dem 10. August regierten die Brissotisten nur geduldeterweise. Vorgeblich hatten sie Danton zum Mitregieren eingeladen; in Wahrheit hatte er ihnen ihre Posten wiederverschafft und setzte bei jeder Kabinettssitzung seinen Willen durch, in den großen Sessel gefläzt, der zuvor Capets weichere Körpermasse beherbergt hatte. »Danton«, sagte

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