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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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– ich glaube, schon als ich Camille zum ersten Mal gesehen habe, mit zwölf oder dreizehn – ich glaube, schon da wusste ich, was es geschlagen hat. Da muss ich jetzt nicht anfangen, mich zu beschweren. Gabrielle hat einen netten jungen Anwalt geheiratet. Ich nicht.«
    »Das kannst du mir nicht weismachen – du kannst nicht behaupten, du hättest gewusst, worauf du dich einlässt.«
    »Man kann so etwas wissen. Und es zugleich doch nicht wissen.«
    Er nahm ihre Hand, packte sie fest ums Handgelenk. »Lolotte, das kann nicht so weitergehen. Ich bin nicht Fréron. Ich bin nicht Dillon. Ich bin keiner von diesen Männern, mit denen man einfach nur flirtet, ich erlaube nicht, dass du dich auf meine Kosten amüsierst.«
    »Also?«
    »Und ich lasse mich nicht abspeisen, das weißt du.«
    »Georges, drohst du mir?«
    Er nickte. »Ich glaube schon«, sagte er bedächtig. »Doch, sieht ganz so aus.« Er stand auf.
    »Tja, eine völlig neue Phase in meinem Dasein«, sagte sie. Mit einem süßen, selbstsicheren Lächeln sah sie zu ihm empor. »Aber du hast alle die herkömmlichen Mittel der Überredung unversucht gelassen, Georges. Ist das das Äußerste, was du an Verführungskünsten aufbieten kannst? Finstere Blicke und dann und wann ein Grabscher? Warum schmachtest du nicht? Warum seufzt du nicht? Warum dichtest du keine Sonette auf mich?«
    »Weil ich gesehen habe, wie weit deine anderen Galane damit kommen«, sagte er. »Ach, verflixt, Mädel, das ist doch alles grotesk.«
    Er dachte: Tief drinnen will sie mich, das Miststück. Sie dachte: Zumindest lenkt es ihn ab.
    Er nahm seinen Packen Papiere und kehrte zurück in seine Suite. Die Katze schlich wieder herbei und rollte sich auf ihrem Schoß zusammen; Lucile starrte ins Feuer wie eine ältliche Jungfer.
    Vierzehnhundert Menschen sind tot. Verglichen mit einem durchschnittlichen Schlachtfeld ist das ein Pappenstiel. Aber schon ein einziges Leben bedeutet seinem Besitzer alles, denkt Lucile, mehr als ein Leben haben wir nicht.
    Die Wahlen zum Nationalkonvent wurden nach dem üblichen Zwei-Stufen-System abgehalten, und als die neunhundert neu bestimmten Wahlmänner zu ihrer Zusammenkunft im Saal der Jakobiner gingen, reihte sich auf ihrem Weg ein frischer Leichenhaufen an den anderen.
    Die Abstimmungen wurden so oft wiederholt, bis ein Kandidat die absolute Mehrheit hatte. Es war eine langwierige Prozedur. Die Kandidaten durften sich in mehreren Teilen des Landes gleichzeitig zur Wahl stellen. Sie brauchten keine französischen Bürger zu sein. Die Vielzahl der Kandidaten war so groß, dass die Wahlmänner sich vielleicht nicht mehr ausgekannt hätten, wäre nicht Robespierre mit seinem Ratschlag zur Stelle gewesen. Er umarmte Danton vorsichtig, als dieser mit 91 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde – oder zumindest tätschelte er ihm den Ärmel. Er genoss den Applaus, als er selbst Pétion aus dem Feld schlug und ihn zwang, einen Sitz über die Provinz zu bekommen; ihm lag daran, dass die Pariser Deputierten einen möglichst massiven anti-brissotistischen Block bildeten. Er war sowohl erfreut als auch besorgt, als die Pariser Wahlmänner seinen jüngeren Bruder Augustin wiederwählten; er hatte Angst, der Name könnte über Gebühr ins Gewicht fallen, aber andererseits hatte sich Augustin in Arras sehr um die Revolution verdient gemacht, da schien ein Wechsel in die Hauptstadt nur angebracht. Unterstützung und Beistand für mich, dachte er. Er brachte ein scheues Lächeln über diesen günstigen Verlauf zuwege. Für eine Minute oder auch zwei sah er jünger aus.
    Der Journalist Hébert erhielt in keinem Wahlgang mehr als sechs Stimmen; wieder schien Robespierres Gesicht sich zu öffnen, die starren Kiefermuskeln entspannten sich. Hébert hatte eine gewisse Gefolgschaft unter den Sansculotten, obwohl er sich seinen eigenen Wagen hielt; der Mensch Hébert war weniger wichtig als die Maske, hinter der er sich verschanzte, doch dankenswerterweise würde der Ofensetzer Père Duchesne sein demokratisches Pfeifchen nun nicht auf den Bänken des Konvents schmauchen.
    Aber so glatt lief nicht alles … Der englische Wissenschaftler Priestley drohte bei einer Rebellion der Wahlmänner gegen Marat an Rückhalt zu gewinnen. »Was unser Land jetzt braucht«, riet Robespierre, »ist nicht außerordentliche Begabung und schon gar nicht fremdländische Begabung, nein, es sind die Männer, die sich um der Revolution willen in Kellern versteckt halten mussten. Und, ja«, fügte

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