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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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für sie da sei, und dergleichen mehr. Das Dumme war, dass er den Status eines alten Hausfreunds genoss. Dadurch konnte er an den Wochenenden mit nach Bourg-la-République kommen. Dort dackelte er hinter ihr her und versuchte, ihr Momente der Zweisamkeit abzutrotzen. Armer Karnickel. Er hatte nicht den Hauch einer Chance.
    Es war manchmal schwer, sich zu erinnern, dass es eine Mme Fréron und eine Mme de Séchelles gab.
    Hérault kam abends, wenn die Jakobiner ihre Sitzungen abhielten. Langweiler, nannte er sie, langweilige Tröpfe. In Wahrheit faszinierte die Politik ihn, aber für ihn stand fest, dass sie diese Faszination nicht teilte, und so gab er sich verständnisinnig. »Sie debattieren über Preiskontrollen«, sagte er etwa, »und darüber, wie sie diese lästigen Sansculotten-Agitatoren mit ihrem fortwährenden Gewinsel nach Brot und Kerzen zum Schweigen bringen können. Hébert weiß nicht, ob er sich über sie lustig machen oder sich ihnen anschließen soll.«
    »Hébert hat aber großen Zulauf«, gab sie dann liebenswürdig zu bedenken, worauf er sagte: »Ja, in der Kommune sind Hébert und Chaumette sogar so stark, dass –«, um dann jäh abzubrechen, weil er merkte, dass er ihr wieder auf den Leim gegangen war.
    Hérault war Dantons Freund, er saß bei den Montagnards, aber er konnte seine Vornehmheit nicht abschütteln. »Es sind nicht nur Ihre Redeweise und Ihr Auftreten, nein, Ihr ganzes Denken ist durch und durch aristokratisch.«
    »O nein, nein, nein, völlig ausgeschlossen. Ich denke fortschrittlich. Republikanisch.«
    »Ihre Haltung mir gegenüber zum Beispiel. Sie können nicht vergessen, dass ich vor der Revolution in gespielter Überwältigung dahingesunken wäre, wenn Sie auch nur einen Moment lang in meine Richtung geblickt hätten. Und wenn nicht, dann hätte meine Familie nachgeholfen. Wobei die Überwältigung ja vielleicht nicht einmal gespielt gewesen wäre. Die Frauen dachten damals noch so.«
    »Wenn das stimmt«, sagte er, »und selbstredend stimmt es, was bedeutet das dann für unsere heutige Situation?« (Die Frauen, dachte er, ändern sich nicht.) »Ich versuche nicht, von irgendeinem Vorrecht Gebrauch zu machen. Ich will lediglich, dass Sie etwas vom Leben haben.«
    Sie faltete die Hände überm Herzen. »Diese Selbstlosigkeit!«
    »Liebste Lucile, das schlimmste Verbrechen, das Ihr Mann an Ihnen begangen hat, war, Sie in den Sarkasmus zu treiben.«
    »Ich war schon immer sarkastisch.«
    »Das kann ich nicht glauben. Camille manipuliert die Menschen.«
    »Oh, das tue ich auch.«
    »Ständig spielt er den Unbedarften, damit der Dolchstoß dann umso unerwarteter kommt. Saint-Just, den ich zwar nicht uneingeschränkt bewundere …«
    »Oh, wechseln Sie das Thema. Ich mag Saint-Just nicht.«
    »Und weshalb nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Ich mag seine politische Einstellung nicht. Außerdem macht er mir Angst.«
    »Aber seine politische Einstellung ist die gleiche wie Robespierres – und damit die gleiche wie bei Ihrem Mann und Danton.«
    »Das wird sich zeigen. Saint-Justs oberstes Ziel scheint zu sein, seine Mitmenschen zu erziehen, nach einem Plan, den er fertig im Kopf hat und den er, muss ich leider sagen, uns anderen nicht so recht vermitteln kann. Nun, Camille und Georges-Jacques können Sie weiß Gott nicht vorwerfen, sie wollten ihre Mitmenschen erziehen. Meist eher im Gegenteil.«
    Hérault sah bedenklich drein. »Sie sind nicht dumm, nicht wahr, Lucile?«
    »Früher war ich’s. Aber Intelligenz steckt an.«
    »Die Sache bei Saint-Just ist, dass Camille ihn gezielt gegen sich aufbringt.«
    »Natürlich – und zwar in jeder Form. Wir können noch so pragmatismusverseucht sein, wenn jemand uns zuwider ist, besinnen wir uns im Nu wieder auf unsere Prinzipien.«
    »Ach je«, sagte Hérault, »und ich hatte für heute die große Verführung geplant. Irgendwie sind wir vom Thema abgekommen.«
    »Sie hätten ebenso gut zu den Jakobinern gehen können.« Sie lächelte ihn lieblich an. Hérault schaute bedrückt.
    Wann immer er in Paris war, machte General Dillon ihr seine Aufwartung. Es war eine Freude, ihn zu sehen, mit seinem baumlangen Körper, dem kastanienbraunen Haarschopf und seiner Gabe, bei jedem Besuch jünger zu wirken. Valmy hatte ihm gut getan; nichts beflügelt einen Mann so sehr wie der Sieg in der Schlacht. Dillon redete nie vom Krieg. Er kam nachmittags, wenn der Nationalkonvent tagte. Sein Ansatz war so interessant, dass er schon fast zur Strategie

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