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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Rücken zu kehren. Möglicherweise macht er sich etwas vor, aber er hofft, dann alles einfach abgeben zu können. Die Preußen sind vertrieben, keiner macht ihm seine Häuser und Höfe streitig. Und die Kinder – Antoine wächst munter, und François-Georges ist ein dicker, zufriedener Säugling, keine Gefahr, dass er sterben wird. Dann das neue Kind … In Arcis wird Gabrielle ihn besser zu verstehen lernen. Was immer er getan hat, was immer zwischen ihnen steht, sie sind Mann und Frau. Auf dem Land können sie wieder normale Menschen sein.
    Meistens gibt er sich diesen Träumen vom einfachen Leben hin, wenn er zu viel getrunken hat. Leider ist fast immer Camille dabei, der ihm seine Illusionen ganz schnell wieder raubt, sodass ihm weinerlich zumute wird oder er blind gegen diese Falle der Macht wütet, die über ihm zugeschnappt ist. Ob er zu anderen Zeiten getroster in die Zukunft blickt … Er begreift selber nicht, warum er Lucile nachstellt, es bringt nichts als Komplikationen. Dennoch kann er nicht aufhören …
    »Ich mag keine Paläste. Ich bin froh, wieder daheim zu sein.« So Gabrielle, und bis zu einem gewissen Grad schienen alle so zu empfinden. Camille war froh, seine Beamten los zu sein, und die Beamten waren froh, Camille los zu sein. Wie Danton sagte: Jetzt haben wir endlich den Kopf frei für neue Probleme. Nur Lucile teilte die allgemeine Erleichterung nicht unumschränkt. Sie hatte Freude daran gehabt, marmorne Prachttreppen hinunterzurauschen, Freude an der sichtbaren Ausübung der Macht.
    Wenigstens war sie nun nicht mehr ständig an Gabrielle gekettet, und auch nicht an Louise Robert. In den letzten Wochen hatte sich Louises Schriftstellerfantasie zunehmend ihrer Ménage-à-trois zugewandt – und was fantasierten Schriftsteller nicht alles zusammen! »Schaut euch Camilles verzückten Gesichtsausdruck an, wenn Danton sich herablässt, vor seinen Augen seine Frau zu betatschen! Warum gründet ihr drei nicht einen gemeinsamen Hausstand, wenn ihr hier auszieht? Läuft es nicht ohnehin darauf hinaus?«
    »Genau«, sagte Fabre, »und ich darf zum Frühstück kommen.«
    »Mir hängt dieses Drama, das ihr hier aufführt, zum Hals heraus«, sagte Louise. »Mann verliebt sich in die Frau seines besten Freundes, wie tragisch, wie furchtbar, auf der Welt zu sein! Tragisch? Ihr könnt euch doch kaum das Grinsen vom Gesicht wischen!«
    Richtig, das konnten sie tatsächlich kaum, auch Danton nicht. Gottlob hatte Gabrielle diesen schöpferischen Ausbruch nicht mitbekommen. Gabrielle war sehr lieb zu ihr gewesen, früher. Jetzt war sie gnadenlos schlecht gelaunt. Sie hatte sehr stark zugenommen seit Beginn ihrer Schwangerschaft, sie bewegte sich langsam, klagte über Atemnot, sagte, sie bekomme keine Luft in der Stadt. Zum Glück hatten Gabrielles Eltern vor kurzem ihr Haus in Fontenay verkauft und waren nach Sèvres gezogen, wo sie zwei Anwesen in schöner Parklandschaft erworben hatten. Das eine bewohnten sie selbst, das andere stellten sie ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn zur Verfügung. Arm waren die Charpentiers nie gewesen, aber es sprach viel dafür, dass das Geld für diesen Kauf von Georges-Jacques stammte; niemand sollte merken, wie viel Bargeld sich dieser Tage bei ihm ansammelte.
    Das heißt, dachte Lucile, Gabrielle konnte jederzeit von hier fort, wenn sie wollte, aber nein, sie saß in ihrer Wohnung in der Rue des Cordeliers, still und stumm und betont schwanger. Manchmal weinte sie, und dieses kleine Luder, Louise Gély, schlüpfte die Treppe hinunter und verdrückte ein paar Tränchen mit ihr. Gabrielle weinte um ihre Ehe, ihre Seele und ihren König, Louise im Zweifel um eine zerbrochene Puppe oder ein überfahrenes Kätzchen – grauenhaft, dachte sie. Da lobe ich mir Männer zur Gesellschaft.
    Fréron war unbeschadet von seiner Mission in Metz zurückgekehrt. Nichts an seinem Schreibstil ließ mehr ahnen, dass das Karnickel einst ein feiner Herr gewesen war. Er schrieb gut – der Journalismus lag ihm im Blut –, aber seine Ansichten wurden stetig brachialer, als befände er sich in einem Wettstreit, den es um jeden Preis zu gewinnen galt; zuweilen waren seine Artikel kaum mehr von denen Marats zu unterscheiden. Ungeachtet seines neuen Blutdursts sahen ihre anderen Verehrer in ihm den einen, von dem keine Gefahr ausging. Dennoch hatte sie ihn einmal ganz ernsthaft gefragt: »Wenn ich Sie brauche – werden Sie dann da sein?« Er hatte beteuert, dass er auf alle Zeit und Ewigkeit

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