Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
meinst.« Eine Pause. »Na gut«, sagte Fabre, »dann hast du wohl gar nichts gemeint.«
    »So«, sagte Lucile, die ins Zimmer trat. »Seid ihr wieder bei eurem sinnlosen Hickhack?« Sie hatte ein paar frisch eingetroffene Briefe in der Hand.
    »Ich hab Fabre bloß ein bisschen erschreckt.«
    »Es ist die alte Geschichte. Camille überhäuft mich wie immer mit Verachtung. Für ihn bin ich nicht gut genug, um Dantons Hund zu sein, geschweige denn sein politischer Vertrauter.«
    »Nein, darum geht es nicht. Fabre hat etwas zu verbergen.«
    »So einiges, stelle ich mir vor«, sagte Lucile. »Und im Zweifel bleibt es auch besser verborgen. Hier ist ein Brief von deinem Vater. Ich habe ihn nicht aufgemacht.«
    »Das wäre ja noch schöner«, meinte Fabre.
    »Und hier ist einer von deiner Cousine Rose-Fleur. Den habe ich aufgemacht.«
    »Lucile ist eifersüchtig auf meine Cousine. Wir waren in grauer Vorzeit einmal verlobt.«
    »Wie originell von ihr«, meinte Fabre, »auf eine einzelne Frau eifersüchtig zu sein, eine von anno dazumal auch noch.«
    »Ihr könnt euch vorstellen, was mein Vater schreibt.« Camille las den Brief.
    »O ja, lebhaft«, sagte Lucile: »Stimme nicht für Louis’ Tod – enthalte dich. Du hast schon so oft gegen ihn gesprochen, du hast deine Haltung in dem Fall längst publik gemacht. Dadurch hast du ihn vorverurteilt, was bei einem Polemiker entschuldbar ist, nicht aber bei einem Geschworenen. Vermeide darum jedwede Beteiligung an der Sache. Damit sicherst du dich gleichzeitig auch …«
    »… für den Fall einer Gegenrevolution ab. Ganz genau. Er meint, dass ich dann nicht des Königsmords bezichtigt werden kann.«
    »Der gute, schrullige alte Mann«, sagte Fabre. »Doch, deine Familie ist schon drollig.«
    »Findest du Foucquier-Tinville drollig?«
    »Stimmt, den hatte ich vergessen. Er wird langsam ein Mann von Bedeutung. Er macht sich nützlich. Er wird zweifelsohne bald zu Amt und Würden aufsteigen.«
    »Solange er weiß, wem er es verdankt.« In Luciles Stimme klang eine gewisse Schärfe durch. »Sie sind arg ungern auf den Taugenichts angewiesen, diese Verwandten von dir.«
    »Rose-Fleur nicht, und ihre Mutter war immer auf meiner Seite. Ihr Vater dagegen …«
    »Alles kehrt wieder«, sagte Fabre.
    »Wenn dein Vater wüsste, wie lachhaft uns hier seine Skrupel scheinen«, sagte Lucile. »Morgen kommt Danton aus Belgien zurück, und übermorgen wird er für Louis’ Hinrichtung stimmen, ohne auch nur eine einzige Einlassung gehört zu haben. Was würde dein Vater dazu sagen?«
    »Er wäre entsetzt«, sagte Camille, der es zum ersten Mal in diesem Licht sah. »Genau, wie ich es wäre – was heißt, wäre: bin! Aber ihr wisst ja, was Robespierre sagt: Es ist gar kein richtiger Prozess, nicht im landläufigen Sinn. Es ist eine Maßregel, die wir ergreifen müssen.«
    »Im Interesse der Wohlfahrt und Sicherheit«, ergänzte Lucile. Das war ein Ausdruck, der Schule gemacht hatte; seit ein paar Wochen war er in aller Munde. »Wohlfahrt und Sicherheit. Aber egal, welche Maßregeln ergriffen werden, irgendwie fühlt man sich nie sicherer. Ich frage mich, woran das liegt.«
    COUR DU COMMERCE, 14. Januar: Gabrielle saß still da und wartete, während Georges nebenan die Stapel von Briefen durchsah, die sich in seiner Abwesenheit angesammelt hatten. Auf einmal stand er im Türrahmen; er füllte ihn fast vollständig aus. Sein breites Gesicht war kalkweiß.
    »Wann ist das hier gekommen?« Er hielt einen Brief auf Armeslänge von sich weg.
    Der kleine Antoine sah von den Soldaten hoch, die er auf dem Teppich aufstellte. »Er hat einen Schrecken«, meldete er seiner Mutter.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. Sie riss den Blick von der geschwollenen Ader los, die an seiner Schläfe zuckte. Einen Moment lang hatte sie ihn so gesehen, wie ein Fremder ihn sehen mochte, und die Gewalt, die in seinem massigen Körper schlummerte, machte ihr Angst.
    »Versuch dich zu erinnern!« Er hielt ihn ihr unter die Nase. Wollte er, dass sie ihn las?
    »11. Dezember. Das ist über einen Monat her, Georges.«
    »Wann ist er angekommen?«
    »Tut mir leid, aber ich weiß es nicht. Jemand muss mich angeschwärzt haben«, sagte sie mit dünner Stimme. »Was ist es, was habe ich getan?«
    Mit einem ungeduldigen Hohnschnauben zerknüllte er den Brief in der Faust. »Wieso denn du? O Gott, o Gott, o Gott.«
    Warnend blickte sie auf, wies mit einer schwächlichen kleinen Geste auf Antoine. Das Kind zupfte an ihrem

Weitere Kostenlose Bücher