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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Welt werden von den gleichen Gelüsten getrieben wie du, und die, bei denen es nicht so ist, fühlen sich dir natürlich überlegen. Er gibt sich alle Mühe, nachsichtig zu sein. Er ist nicht tolerant, aber großzügig. Oder vielleicht auch umgekehrt.«
    »Man wird es mit der Zeit leid, seinen Charakter zu analysieren«, sagte Danton. »Als hinge das eigene Leben davon ab.«
     
    Eigentlich hatte er für eine Stunde zu Louise zurückgehen wollen. An der Ecke der Cour du Commerce blieb er stehen. Er hatte sich daran gewöhnt, mit ihr zu reden, ihr alles zu erzählen, was passiert und gesagt worden war, und sich ihren Kommentar anzuhören. Er sagte ihr Dinge, die er Gabrielle niemals erzählt hätte – sie war ihm gerade dadurch hilfreich, dass sie unbeteiligt und unwissend war. Aber im Moment gab es nichts zu sagen. Er fühlte eine unaussprechliche Last in seinem Innern. Er schaute auf die Uhr. Es war möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass der Unbestechliche um diese Zeit zu Hause war, und während er zu ihm auf die andere Seite des Flusses lief, konnte er sich überlegen, was er sagen würde. Kurz schaute er zu seinem eigenen erleuchteten Fenster hinauf, dann schritt er grimmig in den frühen Abend.
    Die Laternen wurden gerade angezündet, sie hingen taumelnd an Seilen, die in den schmalen Gassen zwischen den Häusern gespannt waren, oder waren an eisernen Wandarmen befestigt. Es gab jetzt mehr Laternen als vor der Revolution: Licht gegen die Verschwörer, die Fälscher, die dunkle Nacht des Herzogs von Braunschweig. Als 1789 ein Adliger aufgehängt wurde, hatte er gefragt: »Glaubt ihr, das Licht strahlt hinterher heller?« Und Louis Suleau hatte, erstaunt, dass er selbst noch am Leben war, gesagt: »Jedes Mal wenn ich an einem Laternenpfahl vorbeikomme, sehe ich, wie er sich begehrlich nach mir reckt.«
    Zwei Bauernbuben mit fröhlichem Gesicht und laufender Nase gingen an ihm vorbei, sie wollten den Städtern Kaninchen verkaufen, blutige Bündel, die kopfüber an langen Stangen hingen, in Fallen gefangen. Jemand wird die beiden berauben, dachte er, und dann werden sie weder Geld noch Kaninchen an einer Stange haben. Die pelzigen Tierleichen sahen mager aus, kaum Fleisch auf den hin- und herschwingenden Knochen. Zwei Frauen standen zankend in der Tür einer Garküche, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Der Fluss war ein schmutziges, gelblichgraues Band, er kroch dem Winter entgegen wie der Beginn einer verzehrenden Krankheit. Die Leute verließen eilig die Straßen, um sich vor der Stadt und der Nacht zu verschanzen.
    Die Kutsche war neu und fiel durch ihre Eleganz auf; selbst im Düstern sah man die frische Politur auf der neuen Farbe. Er erhaschte einen Blick auf ein rundes, blasses Gesicht, und der Kutscher hielt unter schwerfälligem Knarren des Geschirrs neben ihm an, während die quäkige Stimme des Besitzers erklang: »Mein lieber Danton, sind Sie das?«
    Er blieb unwillig stehen. Die Pferde schnauften feucht in die unwirtliche, nasskalte Dämmerung. »Hébert, sind Sie es?«
    Hébert steckte den Kopf hinaus. »Ja. Ihre massige Statur verrät sie. Mein lieber Danton, es wird schon dunkel, warum laufen Sie hier so demokratisch auf der Straße herum? Das ist gefährlich.«
    »Sehe ich so aus, als könnte ich nicht auf mich aufpassen?«
    »Natürlich nicht, aber es gibt hier bewaffnete Räuberbanden – kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?«
    »Nur wenn Sie bereit sind, wieder in die Richtung zurückzufahren, aus der Sie gerade kommen.«
    »Aber gern. Kein Problem.«
    »Gut.« Er wandte sich an den Kutscher. »Wissen Sie, wo Robespierre wohnt?«
    Mit Genugtuung nahm er ein leichtes Zittern in Héberts Stimme wahr. »Seit wann sind Sie wieder zurück?«
    »Seit zwei Stunden.«
    »Und Ihre Familie? Geht es allen gut?«
    »Hébert, Sie sind wirklich ein äußerst unangenehmer Zeitgenosse«, sagte Danton, während er sich auf dem gepolsterten Sitz ihm gegenüber niederließ. »Es wäre Unsinn, so zu tun, als wäre dem nicht so.«
    »Verstehe.« Hébert ließ eine Art nervöses Kichern hören. »Danton, Sie haben vielleicht von gewissen Reden gehört, die ich gehalten habe.«
    »Und in denen Sie meine Freunde attackiert haben.«
    »So sollten Sie das nicht ausdrücken.« Héberts Stimme klang vorwurfsvoll. »Wenn sie nichts getan haben, wofür sie sich schämen müssen, gebe ich ihnen damit doch einfach die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie gute Patrioten sind.«
    »Das haben sie bereits

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