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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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unbeabsichtigt, gewisse Begriffe verwendet, die ich anstößig finde. In einer Zeit, in der die Menschen ihr Herz verhärten müssen, hat Danton sie aufgefordert, Barmherzigkeit zu zeigen.
    BERGPARTEI : Das hat er nicht! Das hat er nicht!
    PRÄSIDENT : Ruhe!
    DANTON : Dieses Wort habe ich nicht verwendet. Ich habe nicht vorgeschlagen, gegenüber Verbrechern Milde walten zu lassen. Gegen Verbrecher muss entschlossen vorgegangen werden. Ich verurteile Verschwörer!
     
    Im Luxembourg war der ehemalige Kapuziner Chabot nicht bereit, sich von der Lage der Nation die Stimmung verderben zu lasen. Zwar vermisste er seine kleine Braut, das schon, aber man muss schließlich schlafen, trinken, essen. Am 17. November aß er Brot, Suppe, vier Koteletts, ein Huhn, eine Birne und ein paar Trauben. Am 18. Brot und Suppe, gekochtes Rindfleisch und sechs Lerchen. Am 19. ließ er die Lerchen weg und bestellte stattdessen ein Rebhuhn. Am 7. Dezember wieder Rebhuhn, am nächsten Tag ein Huhn mit Trüffeln.
    Er schrieb Gedichte und ließ Bürger Bénard eine Miniatur von sich malen.

11. Die alten Cordeliers
    (1793–1794)
    Wieder ein Tagebuch gefüllt: keines von den roten, sondern eines der kleinen, unbedeutenden braunen. Die frühen Werke, fand Lucile, waren an Peinlichkeit kaum zu überbieten, und sie hatte begonnen, Seiten herauszureißen und zu verbrennen, sodass die Bücher jetzt langsam auseinanderfielen.
    Mittlerweile bestand ein großer Unterschied zwischen dem, was sie in ihr offizielles Tagebuch – wie sie es gern nannte – schrieb, und dem, was in ihr braunes Notizbuch gelangte. Der Ton der offiziellen Tagebücher wurde immer nichtssagender, auch wenn sie zur Unterhaltung oder Irreführung hier und da eine nachdenkliche oder drastischere Passage einschob. Das private Tagebuch war für dunkle, präzise Gedanken da, ungenießbare Gedanken, in winziger Handschrift notiert. Wenn ein Heft voll war, fügte sie es dem bereits bestehenden Packen hinzu, den sie versiegelte und erst wieder öffnete, wenn – vielleicht ein Jahr später – das nächste volle Heft hinzugefügt wurde.
    An einem kühlen, nebligen Tag, die Schritte auf der Straße im Dunst gedämpft, die großen Gebäude fern und schimmernd, betrat sie Saint-Sulpice und ging zu dem Hochaltar, an dem sie drei Jahre zuvor getraut worden waren. Rote Lettern an der Wand verkündeten: DIES IST EIN STAATLICHES GEBÄUDE: FREIHEIT, GLEICHHEIT, BRÜDERLICHKEIT ODER TOD . Die Jungfrau Maria hielt ein Kind ohne Kopf in den Armen, und ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
    Wenn ich Camille nicht begegnet wäre, dachte sie, hätte ich vielleicht ein normales Leben führen können. Niemand hätte mich in meinen Fantasien bestärkt. Niemand hätte mich gelehrt zu denken. Als ich elf war, lagen noch sämtliche Möglichkeiten des Normalseins vor mir. Als ich zwölf war, kam Camille ins Haus. Ich war ihm vom ersten Moment an verfallen.
    Ihr Leben ist dabei, sich selbst umzuschreiben, davon ist sie überzeugt.
    In der Wohnung arbeitete Camille bei schlechtem Licht. Er lebte von Alkohol und drei Stunden Schlaf pro Nacht. »Du verdirbst dir die Augen«, sagte sie automatisch.
    »Ist längst passiert.« Er legte seinen Federhalter hin. »Schau, eine Zeitung.«
    »Du machst es also wirklich.«
    »Ich sollte es wohl eher eine Serie von Pamphleten nennen, denn ich werde der einzige Autor sein. Desenne druckt sie für mich. In der ersten Ausgabe – dieser hier – befasse ich mich nur mit der britischen Regierung. Ich weise darauf hin, dass nach der Lobrede, die Robespierre neulich auf Danton gehalten hat, jeder, der Danton kritisiert, damit öffentlich eine Quittung für die Guineen von Mr. Pitt ausstellt.« Er hielt inne, um den letzten Satz zu schreiben. »Der Text ist nicht wirklich polemisch, aber er wird einen weiteren Rückschlag für Dantons Verleumder darstellen, außerdem wird er den Weg für Gnadengesuche vor Gericht und die Freilassung einiger Verdächtiger bahnen.«
    »Aber Camille – wirst du das wirklich wagen?«
    »Natürlich, wenn Robespierre und Danton mich unterstützen. Meinst du nicht?«
    Sie legte die Hände aneinander. »Wenn die beiden sich einig sind.« Sie hatte ihm nichts von Fouquiers Besuch erzählt.
    »Das sind sie«, sagte er ganz ruhig. »Robespierre ist einfach vorsichtig, man muss ihm nur ein bisschen nachhelfen.«
    »Was hat er wegen der Barnave-Affäre zu dir gesagt?«
    »Es gibt keine ›Barnave-Affäre‹. Ich habe mich von ihm

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