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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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verabschiedet. Ich fand es verkehrt, ihn hinzurichten. Das habe ich ihm gesagt.« Das war es, was Fouquier nicht hören wollte, dachte sie. »Nicht dass es ihm viel genützt hätte, von mir die Absolution erteilt zu bekommen, aber mir hat es gut getan, verziehen zu bekommen, für meinen wie auch immer gearteten Anteil daran, dass er dort gelandet ist.«
    »Aber was hat Max gesagt?«
    »Ich glaube, er hat es verstanden. Er hatte ja eigentlich nichts damit zu tun. Ich habe Barnave in der Wohnung meines Vetters de Viefville in Versailles kennengelernt. Ich habe kaum mit ihm geredet, aber er hat Notiz von mir genommen – er schien damit zu rechnen, dass er mir wieder begegnen würde. An diesem Abend habe ich beschlossen, zu Mirabeau zu gehen.« Er schloss die Augen. »Die Auflage soll 50000 Stück betragen.«
    Am Nachmittag kam Louise. Sie war einsam, auch wenn sie es nicht zugab. Und sie wollte sich der Gesellschaft ihrer Mutter entziehen, der sie zu Hause ausgesetzt war. Angélique hatte die Kinder für ein paar Tage zu sich genommen; wenn sie fort waren, wurde Louise, vor allem in Abwesenheit ihres Mannes, wieder zu einem schüchternen Mädchen, das die Treppe hinauf- und hinunterflitzte. Dantons Antwort auf ihre mangelnde Auslastung war: »Geh dir was Schönes kaufen.« Aber es gab nichts, was sie für sich gewollt hätte, und sie scheute davor zurück, etwas in der Wohnung zu verändern. Sie traute ihrem Geschmack nicht, außerdem nahm sie an, dass es ihrem Mann lieber war, wenn alles so blieb, wie Gabrielle es eingerichtet hatte.
    Vor einem, anderthalb Jahren wäre sie als Dantons Frau zu den Nachmittagssalons mitgenommen worden, wo scharfzüngig getratscht und gelästert wurde, hätte steif zwischen den Gattinnen von Ministern und Pariser Abgeordneten gesessen, beherrschten Frauen von Anfang, Mitte dreißig, die stets die neusten Bücher gelesen hatten und in gelangweiltem Ton die Liebesaffären ihrer Gatten diskutierten. Aber Gabrielle hatte das damals nicht entsprochen; und ihr reichte der Schlagabtausch mit den Besuchern, die sie selbst empfingen, völlig. Sie war entweder gehemmt oder viel zu direkt. Die Themen, über die geredet wurde, kamen ihr so banal vor, dass sie überzeugt war, sie müssten einen Doppelsinn haben, der ihr verborgen blieb. Sie hatte keine andere Wahl, als mitzuspielen; in Anbetracht ihrer Position hatte man ihr ein Regelbuch zugeworfen, doch darin lesen konnte sie nur im Licht der gelegentlich aufzuckenden Blitze.
    Und so fühlte sie sich – was sie nicht hätte voraussagen können – in der Wohnung um die Ecke derzeit am besten aufgehoben. Bürgerin Desmoulins hielt sich dieser Tage an ihre Familie und wenige enge Freunde; sie erklärte, sie wolle sich die Albernheiten des Gesellschaftslebens ersparen. Louise saß Tag für Tag bei ihr im Salon und versuchte, sich aus zufälligen Andeutungen ein Bild von der jüngeren Vergangenheit zusammenzusetzen. Lucile stellte nie persönliche Fragen, sie selbst hingegen wusste nicht, was für Fragen sie sonst stellen sollte. Manchmal redeten sie über Gabrielle: sanft, ganz natürlich, als wäre sie noch am Leben.
    Heute sagte Louise: »Du bist ja in einer düsteren Stimmung.«
    »Ich muss das hier noch fertigschreiben«, sagte Lucile. »Dann habe ich Zeit für dich, und wir werden versuchen, einander etwas aufzumuntern.«
     
    Louise spielte ein bisschen mit dem Kind, einem puppenartigen Geschöpf, das eindeutig nicht Dantons Sohn hätte sein können. Der Kleine redete mittlerweile sehr viel – zumeist in einer unverständlichen Sprache, als wüsste er, dass er das Kind eines Politikers war. Als er zu Bett gebracht wurde, griff Louise nach ihrer Gitarre und zupfte sie leise. Sie zog ein finsteres Gesicht. »Ich glaube, ich bin völlig unbegabt«, sagte sie zu Lucile.
    »Du solltest dich richtig konzentrieren, wenn du spielst, und dich an die einfacheren Stücke halten. Aber ich habe gut reden, ich mache ja selbst auch nichts mehr.«
    »Stimmt. Früher bist du nachmittags auch oft in Ausstellungen oder Konzerte gegangen, aber jetzt sitzt du nur noch da und liest oder schreibst Briefe. Wem schreibst du eigentlich?«
    »Ach, verschiedenen Leuten. Ich führe eine rege Korrespondenz mit Bürger Fréron, einem alten Freund der Familie.«
    Louise horchte auf. »Du magst ihn sehr, oder?«
    Lucile wirkte amüsiert. »Am meisten, wenn er nicht da ist.«
    »Würdest du ihn heiraten, wenn Camille sterben würde?«
    »Er ist schon verheiratet.«
    »Er

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