Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

angemessene Bestrafung dieses Verräters Ihren Mann mit Kummer und Schmerz erfüllte.«
    »Darf man denn nicht Kummer und Schmerz über den Tod eines Mannes zeigen, den man aus glücklicheren Zeiten kennt, Bürger Fouquier? Gibt es ein Gesetz, das so etwas verbietet?«
    Fouquier betrachtete sie abschätzend. »Ich habe gesehen, wie sie sich umarmten«, sagte er. »Ich konnte nicht umhin, es zu sehen. Natürlich habe ich das in keiner Weise gedeutet. Ich werde noch einmal darauf drängen, dass man den Leuten die Hände bindet, ich verstehe wirklich nicht, wie es zu diesem Versäumnis kommen konnte. Es geht nicht darum, was erlaubt oder verboten ist, verstehen Sie. Es geht darum, wie etwas wirkt. Eine solche Freundschaftsbezeigung gegenüber einem Verräter würde von vielen Leuten zwangsläufig in einer bestimmten Weise gedeutet werden.«
    »Haben Sie denn kein Herz?«, fragte sie leise.
    »Ich tue meine Arbeit, meine Liebe«, sagt er rasch. »Also, richten Sie meinem kleinen Vetter von mir aus, dass seine Haltung sehr gefährlich ist. Was immer er irrigerweise empfinden mag, er kann es sich nicht leisten, seine Gefühle so hemmungslos zur Schau zu stellen.«
    »Warum sollte er seine Anteilnahme verbergen?«
    »Weil er damit seine Freunde gefährdet. Falls diese Freunde ihre Politik verändern wollen, würden sie das zweifellos lieber selbst kundtun.«
    »Es kann gut sein, dass sie das in nicht allzu ferner Zukunft auch tun werden.« Das hätte ich nicht sagen sollen, dachte sie, aber er macht mich wütend, dieses lange Gesicht, diese Heuchelei. Er hat bloß Angst, seinen Posten zu verlieren.
    Fouquier lächelte freudlos. »Es sollte mich wundern, wenn sie mit einer Stimme sprechen. Jegliche Mäßigung des Terrors wird den Ausschuss spalten. Und der Ausschuss hält alles zusammen – die Staatseinnahmen, die Armeen, die Nahrungsversorgung.«
    »Die Zusammensetzung des Ausschusses könnte verändert werden.«
    »Ach ja? Ist das Dantons Plan?«
    »Spionieren Sie für irgendjemanden?«
    Fouquier schüttelte den Kopf. »Ich bin niemandes Agent. Ich vertrete allein das Gesetz. Alle Verschwörungen gehen durch meine Hände. Wissen Sie, der Ausschuss bezieht seine Einigkeit im Moment aus der Tatsache, dass gegen ihn konspiriert wird. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn die derzeitige Politik, überall Verschwörungen zu sehen, geändert werden würde. Und einige seiner Mitglieder gehören mittlerweile sozusagen zum lebenden Inventar des Ausschusses. Natürlich existiert der Ausschuss in erster Linie wegen des Krieges. Und es heißt, Danton wolle Frieden.«
    »Auch Robespierre will Frieden. Schon immer.«
    »Tja, aber können sie zusammenarbeiten? Robespierre würde verlangen, dass Lacroix und Fabre geopfert werden. Danton wäre nicht bereit, mit Saint-Just zusammenzuarbeiten. So ist das. Einander zu rühmen ist ja schön und gut. Aber warten wir mal ab, wie sie zurechtkommen, wenn auf das Rühmen das Handeln folgen muss.«
    »Düstere Aussichten, Vetter«, sagte sie leichthin.
    »Für mich gibt es nur düstere Aussichten«, sagte Fouquier. »Vielleicht liegt das im Wesen meiner Arbeit.«
    »Was würden Sie meinem Mann denn raten? Ich meine, mal angenommen, er wäre geneigt, Ihren Rat anzunehmen?«
    Sie lächelten beide, sahen jeder für sich, wie unwahrscheinlich das war. Fouquier überlegte kurz. »Ich glaube, ich würde ihm raten, genau das zu tun, was Robespierre sagt – nicht weniger und ganz gewiss nicht mehr.«
    Eine Pause entstand. Lucile war verstört; er hatte ihr zum ersten Mal gewisse Möglichkeiten bewusst gemacht. Zu ihrer eigenen Überraschung fragte sie dann: »Glauben Sie, Robespierre wird überleben können?«
    »Sie meinen, ob ich glaube, dass er zu redlich ist, um zu überleben?« Fouquier stand auf. »Ich mache keine Vorhersagen. Das reicht nämlich, um verdächtigt zu werden.« Er küsste sie auf die Wange, wie ein Onkel ein kleines Mädchen küsst. »Konzentrieren Sie sich darauf, selbst zu überleben, meine Liebe«, sagte er. »So wie ich.«
     
    DANTON (im Nationalkonvent): Wir müssen Verräter bestrafen, aber wir müssen zwischen Irrtum und Verbrechen unterscheiden. Es ist der Wille des Volkes, dass der Terror auf der Tagesordnung stehe, aber der Terror muss sich gegen die wahren Feinde der Republik richten, und nur gegen diese. Ein Mann, dessen einziger Fehler ein Mangel an revolutionärem Elan ist, sollte nicht als Verbrecher behandelt werden.
    DER ABGEORDNETE FAYAU : Danton hat, sicher