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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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deinen wahren Charakter. Wie soll die Zeitung heißen?«
    »Ich dachte an Le vieux Cordelier . Diesen Ausdruck hat Georges-Jacques mal gebraucht. ›Wir alten Cordeliers‹, hat er gesagt.«
    »Ja, das ist gut. Und zwar deshalb« – er wandte sich den Frauen zu – »weil es die neuen Cordeliers – Héberts Leute – klar in ihre Schranken weist. Die neuen Cordeliers stellen nichts dar, sie stehen für gar nichts, sie opponieren bloß, kritisieren das, was andere tun, und versuchen es zu zerstören. Die alten Cordeliers dagegen wussten, was für eine Art von Revolution sie wollten, und sie haben etwas riskiert, um sie herbeizuführen. Ja, die frühen Tage der Revolution kamen uns gar nicht so heroisch vor, aber im Rückblick stellt sich das ganz anders dar.«
    »War das auch die Ära, als man Sie ›Die Kerze von Arras‹ genannt hat, Bürger Robespierre?«
    »Die Ära!«, wiederholte Robespierre. »Das Kind redet, als ginge es um die Zeit von Louis XIV . Das hat dir wohl dein Mann erzählt?«
    »O ja – von selbst weiß ich gar nichts.«
    Camille und seine Frau wechselten einen Blick: Sollen wir sie jetzt gleich erwürgen oder erst später?
    »Ja, so war es«, sagte Robespierre. »Ich wurde deshalb so genannt, weil Mirabeau ›Die Fackel der Provence‹ hieß. Der Gedanke dahinter war«, fügte er erbarmungslos hinzu, »mir unter die Nase zu reiben, wie unbedeutend ich bin.«
    »Ja, das hat er mir erklärt. Aber warum finden Sie dann, dass diese Zeit heroisch war?«
    »Warum meinst du denn, nur Menschen, die weithin Aufsehen erregen, könnten Helden sein?«
    »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Wahrscheinlich habe ich das aus meinen Büchern.«
    »Jemand sollte deine Lektüre lenken.«
    »Oh nein, sie ist eine verheiratete Frau«, sagte Camille. »Da greift Bildung nicht mehr.«
    »Ich merke schon, dass Sie nicht gern daran erinnert werden«, sagte Louise. »Es tut mir leid. Ich wollte keinen Anstoß erregen.«
    Robespierre lächelte, schüttelte den Kopf. Doch dann wandte er sich von ihr ab: keine Zeit mehr für dieses junge Mädchen. »Camille, merk dir, was ich dir sage. Geh behutsam zu Werke. Wir dürfen die Macht des Tribunals nicht einschränken. Wenn wir es tun und dann im Krieg eine Niederlage erleiden, wird das Gleiche geschehen wie im September. Das Volk wird das Gesetz selbst in die Hand nehmen, und das haben wir schon einmal erlebt, das ist sehr unerfreulich. Die Regierung muss stark sein, sie darf nicht zaudern – was sollen die Patrioten an der Front sonst denken? Eine starke Armee verdient es, eine starke Regierung im Rücken zu haben. Unser Ziel muss Einigkeit sein. Einen Thron umstürzen kann man mit Gewalt, aber um eine Republik aufrechtzuerhalten, braucht es Besonnenheit.«
    Camille nickte; er erkannte das Grundgerüst einer künftigen Rede. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich über Max lustig gemacht und ihm unterstellt hatte, er wolle Gott sein – Gott war nicht so verletzlich.
    Max ging. Camille sagte: »Ich fühle mich wie ein Ei im Maul eines Hundes.« Er schaute zu Louise hoch. »Ich hoffe, du bist ausreichend getadelt worden? Sonst geh bitte nach Hause zu deinem Mann und sag ihm, dass er dich verprügeln soll.«
    »Mein Gott«, sagte Louise. »Ich dachte, das wäre vergessen und vergangen.«
    »So etwas vergisst man nicht.«
    Wenige Minuten später kam Danton herein. »Ah, der alte Cordelier höchstpersönlich«, sagte Lucile.
    »Da bist du ja«, sagte Danton zu seiner Frau. »Habe ich unseren Freund verpasst?«
    »Das weißt du ganz genau«, sagte Camille. »Du hast bestimmt in irgendeinem Hauseingang gelauert, bis du ihn hast gehen sehen.«
    »Wir arbeiten besser zusammen, wenn wir nicht zusammen sind.« Er ließ sich in einen Sessel fallen, streckte die Beine aus, betrachtete Camille. »Was bedrückt dich denn so?«, fragte er ihn unvermittelt.
    »Ach … er sagt mir immer wieder, dass ich behutsam zu Werke gehen soll, gerade so, als ob … als ob ich ja nichts tun dürfte, was er nicht auch tun würde, bloß sagt er mir nicht, was er tun würde.«
    Camille saß immer noch auf dem Boden, und Lucile kniete jetzt neben ihm, beider ehrfürchtige, schmeichelnde Aufmerksamkeit auf Georges-Jacques gerichtet, während zwischen ihnen das Kind herumpurzelte. Wirklich, dachte Louise hasserfüllt, es ist, als warteten sie ständig darauf, dass jemand mit Stift und Skizzenblock vorbeikommt. Wenn man an die lange Reihe ihrer Liebhaber denkt … Es ist ekelhaft, wie leicht es

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