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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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welches Risiko er eingegangen ist. Wäre ich dieses Risiko eingegangen? Natürlich nicht. Es hätte nichts bedeutet – niemand hätte mich auch nur eines Blickes gewürdigt. Wäre Danton es eingegangen? Natürlich nicht. Er war ein angesehener Mann, Anwalt, Familienvater. Siehst du, Eléonore, und jetzt, vier Jahre später, sitzen wir hier und bestaunen ehrfürchtig, was damals im Bruchteil einer Sekunde geschah.«
    »Wie dumm«, sagte sie.
    »Nicht unbedingt. Letztlich wird doch alles Wichtige im Bruchteil einer Sekunde entschieden, oder? Er ist vor all den Tausenden aufgestanden, und sein Leben hat sich mit einem Schlag geändert. Diese Dramatik wurde danach natürlich nie mehr erreicht.«
    Eléonore stand auf, trat von ihm weg. »Wirst du zu ihm gehen?«
    »Jetzt? Nein. Danton wird bei ihm sein. Wahrscheinlich feiern sie.«
    »Ja, warum auch nicht?«, sagte Eléonore. »Ich weiß, die Herrschaft des Aberglaubens ist vorbei, aber heute ist immerhin Weihnachten.«
     
    »Es ist unglaublich«, sagte Danton und kippte ein weiteres Glas. Er sah nicht aus wie ein bedeutender Staatsmann. »Vor dem Konvent stehen Demonstranten und fordern einen Gnadenausschuss. Und vor Desennes Buchladen treten sich die Leute auf die Füße und rufen nach einer weiteren Auflage. Ursprünglich hat das Pamphlet zwei Sous gekostet, jetzt wechselt es für zwanzig Francs den Besitzer. Du bist eine Ein-Mann-Inflations-Katastrophe, Camille.«
    »Aber ich wünschte jetzt doch, ich hätte Robespierre gewarnt. Was den Inhalt betrifft, meine ich.«
    »Herrgott noch mal.« Danton war raumgreifend, laut, jovial, der beliebte Führer einer neuen politischen Kraft. »Holt den Burschen her. Zerrt Robespierre aus seinem Loch und bringt ihn hierher. Es ist an der Zeit, ihn mal ordentlich abzufüllen.« Er legte Camille die Hand auf die Schulter. »Es ist an der Zeit, dass diese Revolution sich ein bisschen entspannt. Die Leute sind das Töten leid, das beweist die Reaktion auf deine Schriften.«
    »Aber wir hätten den Ausschuss diesen Monat umbesetzen lassen sollen. Du solltest jetzt dabei sein.«
    Ringsum hatte das Stimmengewirr wieder eingesetzt. Man hatte Dantons Sätze als Ermunterung aufgefasst. »Eins nach dem anderen«, sagte Danton. »Das reicht auch nächsten Monat noch. Wir bereiten den Boden für Veränderung. Es ist besser, keinen Druck auszuüben, die Leute sollen von selbst zu unserer Sichtweise finden.« Camille schaute kurz zu Fabre hinüber. »Warum bist du eigentlich nicht froh?«, wollte Danton wissen. »Du hast gerade den größten Erfolg deiner Laufbahn erzielt. Ich befehle dir im Namen der Revolution, froh zu sein.«
    Wenig später kamen Annette und Claude. Annette wirkte skeptisch und reserviert, doch Claude sah aus, als bereitete er sich innerlich darauf vor, eine große Rede zu halten. »Ah ja«, hob er an, den Blick über den Kopf seines Schwiegersohns gerichtet. »Ich habe dich bisher nicht gerade mit Komplimenten überschüttet, nicht wahr? Aber jetzt möchte ich dir von ganzem Herzen gratulieren. Das war sehr mutig.«
    »Warum sagst du das? Glaubst du, sie werden mir den Kopf abschneiden?«
    Plötzliche, umfassende, anhaltende Stille. Niemand sagte etwas, niemand regte sich. Zum ersten Mal seit Jahren sah Claude sich in der Lage, seinen Blick zu fixieren. »Ach, Camille«, sagte er. »Wer würde dir wehtun wollen?«
    »Eine Menge Leute«, sagte Camille kühl. »Billaud, weil ich mich immer über ihn lustig gemacht habe. Saint-Just, weil er mit aller Macht die Führung übernehmen will und ich nicht mitziehe. Sämtliche Mitglieder des Jakobinerclubs, die es auf mich abgesehen haben, seit ich Dillon verteidigt habe. Vor zehn Tagen haben sie den Zwischenfall bei Brissots Verhandlung aufs Tapet gebracht. Welches Recht ich gehabt hätte, einfach so ohnmächtig zu werden, ohne den Club vorher zu informieren. Und Barnave – wie ich es hätte wagen können, in die Conciergerie zu gehen, um mit einem Verräter zu sprechen.«
    »Aber Robespierre hat dich verteidigt«, sagte Claude.
    »Ja, er war sehr freundlich. Er hat ihnen erklärt, dass ich zu spontanen Gefühlsausbrüchen neige. Das sei schon immer so gewesen, und er habe mich schon als Zehnjährigen gekannt. Als er von der Rednertribüne kam, hat er mir zugenickt und gelächelt. Mit stechendem Blick. Er hatte mir eine Wertung aufgeprägt wie ein Goldschmiedezeichen.«
    »Oh, aber das war nicht alles«, sagte Lucile. »Er hat mit sehr warmen und lobenden Worten über dich

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