Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
beschuldigen.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich mir das Recht vorbehalte, es ihm zu sagen, wenn in unserem Land die Tyrannei ausbricht. Unser Gewissen ist öffentliches Eigentum, wie anders hätte ich es ihm also sagen sollen?«
    »Es beunruhigt ihn, dass Sie sich selbst in eine so missliche Lage bringen.«
    »Sagen Sie ihm, dass ich da bin.«
    »Er will Sie nicht sehen.«
    »Gehen Sie hoch und sagen Sie es ihm, Eléonore.«
    »Na gut«, sagte sie verzagt.
    Mit einem ziehenden Schmerz in der Kehle blieb er unten stehen. Auf halber Treppe hielt sie inne und dachte kurz nach, dann ging sie weiter. Sie klopfte. »Camille ist hier.«
    Sie hörte das Scharren von Stuhlbeinen, ein Quietschen; keine Antwort.
    »Bist du da? Camille ist unten. Er lässt sich nicht abwimmeln.«
    Er zog die Tür auf. Sie wusste, dass er direkt dahinter gestanden hatte. Absurd, dachte sie. Er schwitzte.
    »Du darfst ihn nicht hochlassen. Das habe ich dir gesagt. Ich habe es dir gesagt. Warum hörst du nicht auf mich?« Er versuchte ganz ruhig zu sprechen.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ja.«
    Robespierre hatte die eine Hand auf den Türknauf gelegt und ließ sie über dessen glatte Oberfläche gleiten, während er die Tür in einem kleinen Bogen hin und her schwang.
    »Ich werde es ihm sagen.« Sie wandte den Kopf und schaute die Treppe hinunter, als hielte sie es für möglich, dass Camille heraufgerannt kam und sie zur Seite drängte. »Die Frage ist nur, ob er es akzeptiert.«
    »Gütiger Gott«, sagte er. »Was denkt er denn? Was erwartet er?«
    »Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, ihn nicht hereinzulassen. Ihr wisst beide, dass er dich in eine sehr schwierige Lage gebracht hat. Du weißt, dass du ihn verteidigen wirst, und ich glaube, er weiß das auch. Es geht doch nicht darum, ob ihr eure Streitigkeiten beilegen werdet oder nicht. Natürlich werdet ihr das. Du wirst deinen Ruf riskieren, um ihn zu entlasten. Wenn es um Camille geht, wirfst du sämtliche Prinzipien über Bord.«
    »Das stimmt nicht, Eléonore«, sagte er leise. »Das stimmt nicht, und du sagst es nur aus krankhafter Eifersucht. Es stimmt nicht, und das muss er begreifen. Er muss zum Nachdenken gezwungen werden. Sag« – die Aufregung schlich sich wieder in seine Stimme – »wie sieht er aus?«
    Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. »Wie immer.«
    »Wirkt er verstört? Er ist nicht krank, oder?«
    »Nein, er sieht aus wie immer.«
    »Gütiger Gott.« Mit einer matten Bewegung nahm er seine schweißfeuchte Hand vom Türknauf und wischte sie mit steifen Fingern am Ärmel ab. »Ich muss mir die Hände waschen.«
    Die Tür schloss sich leise. Eléonore ging nach unten und rieb sich dabei mit der Faust übers Gesicht. »Bitte«, sagte sie. »Ich hab’s Ihnen ja gesagt. Er will Sie nicht sehen.«
    »Er meint vermutlich, es sei zu meinem Besten?« Camille lachte nervös.
    »Sie sollten seine Gefühle eigentlich verstehen. Sie haben versucht, seine Zuneigung zu benutzen, um ihm die Unterstützung einer Politik abzuzwingen, mit der er nicht einverstanden ist.«
    »Mit der er nicht einverstanden ist? Seit wann denn das nicht mehr?«
    »Vielleicht seit seiner Niederlage gestern. Aber das müssen Sie selbst herausfinden. Er vertraut sich mir nicht an, und ich verstehe nichts von Politik.«
    Blankes Elend stand jetzt in seinen Augen. »Na gut«, sagte er. »Ich kann auch ohne sein Plazet leben.« Er ging vor ihr her zur Tür. »Auf Wiedersehen, Cornélia. Wir werden uns von jetzt an wohl nicht mehr oft sehen.«
    »Warum? Wo gehen Sie denn hin?«
    In der offenen Tür drehte er sich plötzlich um, zog sie an sich, schob eine Hand unter ihre Brust und küsste sie auf den Mund. Zwei Arbeiter blieben stehen und sahen zu. »Du Arme«, sagte Camille. Er drückte sie sanft an die Wand und ging. Sie hob den Handrücken auf die Lippen, sah ihm nach. Noch mehrere Stunden spürte sie seine gewölbte Hand unter ihrer Brust, prägte sich die Erinnerung schuldbewusst ein und dachte, dass sie nie einen wirklichen Geliebten gehabt hatte.
    Ein Brief an Camille Desmoulins, 11. Nivôse, im Jahr II :
Ich bin weder Fanatiker noch Schwarmgeist, noch neige ich dazu, Komplimente zu machen, aber sollte ich Sie überleben, werde ich eine Statue von Ihnen aufstellen, in die folgende Worte eingraviert sein werden: »Ruchlose Männer wollten uns eine aus Kot und Blut zusammengeknetete Freiheit ansinnen. Camille hat uns gelehrt, die Freiheit zu lieben: in Marmor gehauen und von Blumen

Weitere Kostenlose Bücher