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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Legendre.
    »Ja, ganz bestimmt«, sagte Camille kühl. »Bloß wird man mir nicht den Kopf abschneiden.«
    »Sie haben zusammen zu Abend gegessen«, sagte Legendre bedeutungsvoll.
    »Du hast mit Robespierre zu Abend gegessen?« Camille nickte. »Gut gemacht«, sagte Danton. »Ich glaube, ich würde in Anwesenheit dieses Mannes keinen Bissen herunterkriegen. Und wenn, würde mir alles wieder hochkommen.«
    »Ach, übrigens«, sagte Camille. »Wusstest du, dass Chabot versucht hat, sich zu vergiften? Jedenfalls glauben wir das.«
    »Er hatte ein Fläschchen von Charras und Duchatelle, den Apothekern, in seiner Zelle«, sagte Legendre. »Auf dem stand ›Nur zur äußerlichen Anwendung‹. Also hat er das Zeug getrunken.«
    »Wobei Chabot alles trinken würde«, sagte Camille.
    »Heißt das, er hat überlebt? Hat er es vermasselt?«
    »Hör zu«, sagte Legendre. »Du kannst es dir nicht leisten, hier herumzustehen und dir ins Fäustchen zu lachen. Dafür ist die Zeit zu knapp. Saint-Just bearbeitet Robespierre Tag und Nacht.«
    »Was will er mir denn anhängen?«
    »Alles und nichts. Alles von der Unterstützung Orléans’ bis hin zu dem Versuch, Brissot und die Königin zu retten.«
    »Das Übliche also«, sagte Danton. »Und dein Rat?«
    »Letzte Woche hätte ich gesagt, biete ihnen die Stirn, kämpfe. Aber jetzt sage ich, rette deinen Kopf. Verschwinde, solange es noch geht.«
    »Camille?«
    Camille schaute unglücklich drein. »Unser Treffen ist ganz friedlich verlaufen. Er war sehr freundlich. Er hat sogar ein bisschen zu viel getrunken. Das macht er nur, wenn er … wenn er seine innere Stimme zum Verstummen bringen will, auch wenn das jetzt vielleicht abgehoben klingt. Ich habe ihn gefragt: Warum willst du nicht über Danton reden? Da hat er sich an die Stirn getippt und gesagt: Der Fall ist noch nicht entschieden.« Camille wandte den Kopf ab. »Vielleicht solltest du ins Ausland gehen.«
    »Ins Ausland? O nein. 1791 hast du in Fontenay im Garten gestanden und mich ausgescholten, als ich dir gesagt habe, dass ich nach England gehe.« Er schüttelte den Kopf. »Das hier ist mein Land. Hier bleibe ich. Man nimmt sein Vaterland nicht an den Schuhsohlen mit.«
    In den Kaminen pfiff und heulte der Wind; Hunde bellten einander von einem Bauernhof zum anderen zu. »Nachdem du so viel über die Nachwelt geredet hast«, murmelte Camille, »scheinst du jetzt direkt mit ihr zu sprechen.« Der Regen ließ nach, fiel nun als durchdringendes graues Geniesel auf Haus und Feld.
     
    In Paris werden die Straßenlaternen angezündet, ihr Licht scheint durch den Regen hindurch, verschwommen, diffus. Saint-Just sitzt bei schlechter Beleuchtung an einem kärglichen Kaminfeuer. Aber schließlich ist er Spartaner, und Spartaner brauchen keinen häuslichen Komfort. Er hat seinen Bericht begonnen, seine Liste von Anklagen; wenn Robespierre sie jetzt sähe, würde er sie zerreißen, aber in ein paar Tagen wird sie genau das sein, was er braucht.
    Manchmal hört er auf zu schreiben, blickt flüchtig über die Schulter. Ihm ist, als wäre jemand hinter ihm ins Zimmer getreten, doch wenn er es sich erlaubt nachzusehen, ist da nichts. Es ist mein Schicksal, denkt er, das in den Schatten Gestalt annimmt. Es ist der Schutzengel, den ich früher hatte, damals in meiner Kindheit. Es ist Camille Desmoulins, der mir über die Schulter blickt und sich über meine Grammatik lustig macht. Er hält inne. Es gibt keine lebendigen Geister, denkt er. Er nimmt sich zusammen. Beugt sich über seine Arbeit.
    Die Feder kratzt. Seine seltsam geformten Buchstaben graben sich in das Papier. Seine Handschrift ist winzig. Er bringt sehr viele Wörter auf einer Seite unter.

13. Bedingte Absolution
    (1794)
    COUR DU COMMERCE : 31. März, 20. Germinal. »Marat?« Das schwarze Bündel bewegte sich ein ganz klein wenig. »Verzeihung.« Danton fasste sich an den Kopf. »Das war dumm.«
    Er ging zu einem Stuhl, außerstande, den Blick von dem wandelnden Elend zu lösen, zu dem Bürgerin Albertine geworden war. Ihr Aufzug war trostlos, eine Ansammlung von Tüchern und Schals, die keiner Mode, keinem Stil gleich welcher vergangenen oder künftigen Zeit entsprachen. Sie redete mit fremdländischem Akzent, der jedoch keinem Land auf dieser Erde zuzuordnen war.
    »In gewisser Weise«, sagte sie, »haben Sie durchaus recht.« Sie hob eine skelettartige Hand und legte sie auf eine Stelle zwischen ihren Hüllen, wo vermutlich ihr Herz schlug. »Ich trage meinen Bruder jetzt

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