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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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betrachtet hat bisher kein Unschuldiger leiden müssen.
    DANTON : Mein Gott! Ich traue meinen Ohren nicht. Er behauptet, kein Unschuldiger habe gelitten.
    ROBESPIERRE : Ich hoffe, Sie kommen mir nicht wieder mit Ihren Krokodilstränen. Das ist eine Begabung, die Fabre und anderen Schauspielern zu Gesichte steht, aber nicht Ihnen.
    DANTON : Ich appelliere ein letztes Mal an Sie. Sie und ich sind die Einzigen, die imstande sind, dieses Land zu regieren. Na gut, geben wir es endlich zu: Wir mögen einander nicht. Aber Sie verdächtigen mich auch nicht, genauso wenig wie ich Sie verdächtige. Es gibt Leute, die es gerne sähen, wenn wir uns gegenseitig zerstörten. Machen wir diesen Leuten das Leben schwer.
    ROBESPIERRE : Nichts lieber als das. Ich missbillige Faktionen. Und ich missbillige Gewalt. Andererseits würde ich lieber den Faktionen gewaltsam ein Ende machen, als zusehen zu müssen, wie die Revolution in die falschen Hände gerät und pervertiert wird.
    DANTON : Sie wollen sagen, in meine Hände?
    ROBESPIERRE : Sie reden immer von Unschuld. Wo sind sie denn, all die Unschuldigen? Offenbar begegne ich ihnen nie.
    DANTON : Sie haben die Unschuld vor Augen, doch was Sie sehen, ist Schuld.
    ROBESPIERRE : Wenn ich Ihre Moral und Ihre Prinzipien hätte, sähe die Welt vermutlich anders für mich aus. Ich würde keine Notwendigkeit mehr sehen, noch irgendjemanden zu bestrafen. Es gäbe keine Verbrecher. Es gäbe keine Verbrechen.
    DANTON : Mein Gott – ich ertrage Sie und diese Stadt nicht mehr. Ich werde mit meiner Frau und den Kindern nach Sèvres fahren. Falls Sie mich brauchen sollten, wissen Sie, wo Sie mich finden können.
     
    SÈVRES , 22. März: 2. Germinal. »Schön, dass ihr da seid«, sagte Angélique. »Jetzt könnt ihr das wunderbare Wetter genießen.« Sie küsste ihre Enkel, musterte Louise von Kopf bis Fuß und fühlte sich bemüßigt, sie um die Taille zu fassen und zu drücken. Louise küsste sie pflichtgemäß auf die Wange. »Warum seid ihr denn nicht alle gekommen? Ich meine, auch Camille und Familie? Die Alten hätten auch mitkommen können, wir haben Platz genug.«
    Louise nahm sich vor, die Beschreibung von Annette Duplessis als einer »Alten« an sie weiterzuleiten. »Wir wollten ein bisschen für uns sein«, sagte sie.
    »Ach so?« Angélique zuckte die Achseln. Das war ein Wunsch, den sie nicht nachvollziehen konnte.
    »Hat sich mein Freund Duplessis von seinem Martyrium erholt?«, fragte M. Charpentier.
    »Ihm geht’s ganz gut«, sagte Danton. »Er ist ziemlich gealtert in letzter Zeit. Aber was Wunder, mit Camille als Schwiegersohn.«
    »Du hast mir durchaus auch ein paar graue Haare beschert, Georges.«
    »Wie schnell die Zeit vergangen ist!«, sagte Angélique. »Ich habe Claude noch als einen attraktiven Mann in Erinnerung. Dumm, aber attraktiv.« Sie seufzte. »Ich wünschte, ich könnte die Zeit um zehn Jahre zurückdrehen. Du nicht, mein Kind?«
    »Nein«, sagte Louise.
    »Dann wäre sie jetzt sechs«, sagte Danton. »Aber ich wünschte, ich könnte das tun! Ich würde manches anders machen.«
    »Wobei du nicht unbedingt klüger wärst als damals«, sagte seine Frau.
    »Ich erinnere mich an einen Nachmittag«, sagte Charpentier, »vielleicht ’86 oder ’87? Da kam Duplessis ins Café, und ich lud ihn zum Abendessen ein. Er sagte: Wir ersticken in Arbeit im Schatzamt – aber sobald die momentane Krise vorbei ist, vereinbaren wir einen Termin.«
    »Und?«, fragte Louise.
    Charpentier schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie waren bis heute nicht da.«
    Zwei Tage später schlug das Wetter um. Es wurde grau und nasskalt. Im Haus war es zugig, die Kaminfeuer qualmten. Aus Paris kam ein stetiger Strom von Besuchern. Sie wurden rasch vorgestellt: Der Abgeordnete Soundso, Bürger Soundso von der Kommune. Dann schloss sich Danton mit ihnen ein; die Gespräche waren kurz, doch man hörte wütende, erhobene Stimmen. Die Besucher erklärten alle, sie müssten nach Paris zurück, könnten auf keinen Fall über Nacht bleiben. Sie strahlten eine grimmige Unentschlossenheit aus, ein schwankendes Draufgängertum, in denen Angélique die Vorzeichen einer Krise erkannte.
    Sie ging die nötigen Fragen stellen. Ihr Schwiegersohn saß eine Weile schweigend da, ließ die breiten Schultern hängen, einen verdrießlichen Ausdruck auf dem narbigen Gesicht.
    »Sie wollen«, sagte er schließlich, »dass ich zurückkomme und den starken Mann markiere. Also, ich meine … sie planen, den Konvent um mich zu

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