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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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scharen. Und Westermann hat mir auch geschrieben – du erinnerst dich an meinen Freund, General Westermann?«
    »Ein Militärputsch.« Ihr dunkles, alterndes Gesicht fiel in sich zusammen. »Wer sind die Leidtragenden, Georges? Wer sind diesmal die Leidtragenden?«
    »Genau. Das ist der Punkt. Wenn ich nicht ohne Blutvergießen das Ruder herumwerfen kann, muss es jemand anders machen. So … empfinde ich das inzwischen. Ich will keine Morde mehr vor meiner Haustür, will keine Morde auf dem Gewissen haben. Ich bin mittlerweile von nichts mehr so überzeugt, dass ich auch nur ein einziges Leben dafür aufs Spiel setzen wollte. Ist das so schwer zu verstehen?« Angélique schüttelte den Kopf. »Meine Freunde in Paris verstehen es nicht. Sie meinen, ich hätte irgendwelche absonderlichen Skrupel, das sei eine Laune oder eine Art Trägheit, eine Lähmung des Willens. Aber tatsächlich ist es einfach so, dass ich diesen Weg schon gegangen bin – und ich bin an seinem Ende angelangt.«
    »Gott wird dir verzeihen, Georges«, flüsterte sie. »Ich weiß, du bist nicht gläubig, aber ich bete jeden Tag für dich und für Camille.«
    »Um was betest du denn?« Er blickte zu ihr auf. »Um unseren politischen Erfolg?«
    »Nein, ich … ich bitte Gott, euch gnädig zu richten.«
    »Verstehe. Tja, ich bin noch nicht bereit, mich richten zu lassen. Du könntest übrigens auch Robespierre in deine Fürbitte einschließen. Wobei ich mir sicher bin, dass die beiden, öfter als wir meinen, Zwiesprache halten.«
     
    Ein Nachmittag mit strömendem Regen, und wieder einmal kam quietschend und knarrend eine Kutsche in den schlammigen Hof gerumpelt. Im oberen Stockwerk kreischten lauthals die Kinder; Angélique war gerädert; ihr Schwiegersohn redete mit dem nassen Hund zu seinen Füßen.
    Louise rieb eine beschlagene Fensterscheibe frei, um hinauszuschauen. »O nein«, hauchte sie. Mit einem mittlerweile perfektionierten verächtlichen Schwung ihres Rockes verließ sie das Zimmer.
    Wasser lief an der Reisekleidung von Legendre, dem Metzger hinab, Bäche, Flüsse, Ströme. »Was ist das für ein Wetter!«, rief er aus. »Sechs Schritte, und ich bin kurz davor, abzusaufen.«
    »Mach mir keine Hoffnungen«, sagte die tropfende Gestalt hinter ihm.
    Legendre wandte sich um und machte – heiser, prustend, rosig – seinem Reisegefährten ein Kompliment: »Du siehst aus wie eine Ratte«, sagte er.
    Angélique nahm sein Gesicht in beide Hände. Sie flüsterte irgendetwas Bedeutungsloses oder vielleicht auch Italienisches, atmete den Geruch der feuchten Wolle ein. »Ich weiß nicht, was ich ihm sagen werde«, flüsterte er, von einer Art Horror erfasst. Sie umfasste seine Schultern, schmiegte die Wange an seine triefnassen schwarzen Locken, und plötzlich sah sie lebhaft vor sich, wie das Sonnenlicht schräg auf die kleinen Marmortische fiel, hörte das Klappern und Klirren von Tassen, roch den Duft frischgebrauten Kaffees und den zarten Geruch gepuderten Haars. Leicht schwankend standen sie da, klammerten sich, von Furcht gebannt, aneinander fest und sahen sich in die Augen, während die bleigrauen Wolken dahintrieben und der sintflutartige Regen sie umhüllte wie ein Leichentuch.
    Drinnen setzte sich Legendre schwerfällig hin. »Bitte glaubt mir«, sagte er, »dass Camille und ich nicht ohne Grund zusammen so eine Landpartie unternehmen. Ich bin gekommen, um etwas zu sagen, und das werde ich jetzt sagen. Ich bin kein gebildeter Mann –«
    »Was er nicht müde wird, uns zu erzählen«, sagte Camille. »Er glaubt, das noch nicht hinlänglich vermittelt zu haben.«
    »Diese Sache jetzt müssen wir direkt angehen – nicht hübsch verpackt als etwas, was mal irgendeinem römischen Kaiser passiert ist.«
    »Dann leg mal los«, sagte Danton. »Das muss ja eine interessante Fahrt gewesen sein.«
    »Robespierre hat es auf dich abgesehen.«
    Danton stand vor dem Kamin, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er grinste.
    Camille zog eine Namensliste aus der Tasche und reichte sie ihm. »Das sind die vom 4. Germinal«, sagte er. »Dreizehn Hinrichtungen insgesamt. Die Führung der Cordeliers, Héraults Freund Proli, ein paar Bankiers und natürlich Père Duchesne. Man hätte ein paar seiner Öfen vor ihm hermarschieren lassen sollen, das hätte eine hübsche Karnevalsprozession gegeben. Er hatte keinen seiner gewaltigen Zornesanfälle, als er starb. Er hat geschrien wie am Spieß.«
    »Das würdest du vermutlich auch tun«, sagte

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