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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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war erregt. »Du weißt, dass ich jeden Abend zum Ausschuss gehe. Ich hole die Ordern für den nächsten Tag ab.« Er wandte sich Louise zu. »Ordern für das Tribunal, ich bringe sie zu Fouquier.« Sie nickte. »Als ich kam, war die Tür verschlossen. Das hat es noch nie gegeben. Ich dachte mir, es könnte nützlich für einen Patrioten sein zu wissen, was da vor sich ging. Ich kenne das Gebäude gut. Also habe ich einen Nebengang genommen und – verzeih – ein Schlüsselloch gefunden –«
    »Ich verzeihe dir«, sagte Danton. »Und dann hast du erst das Auge, dann das Ohr an dieses Schlüsselloch gelegt und hast gehört und gesehen, wie Saint-Just mich denunziert hat.«
    »Woher weißt du das?«
    »Es ist naheliegend.«
    »Danton, die haben schweigend dagesessen und sich jedes Wort angehört, das er gesagt hat.«
    »Was genau hat er vor? Weißt du das? Gibt es einen Haftbefehl?«
    »Ich habe keinen gesehen. Er hat davon geredet, dich vor dem Konvent zu denunzieren, in deiner Gegenwart.«
    »Könnte nicht besser sein«, sagte Danton. »Er will seine Redekunst an meiner messen? Seine Erfahrung? Sein Ansehen in der Revolution?« Er wandte sich seiner Frau zu. »Perfekt. Das ist genau das, was ich wollte. Dieser Schwachkopf meint, er könnte mich mit meinen eigenen Waffen schlagen. Es könnte nicht besser sein, Pâris.«
    Pâris schaute ungläubig drein. »Du wolltest, dass es so weit kommt?«
    »Ich werde diesen selbstgefälligen jungen Mistkerl in der Luft zerreißen. Eigenhändig und mit dem größten Vergnügen.«
    »Dann wirst du heute Nacht wohl aufbleiben und deine Rede schreiben«, mutmaßte Louise.
    Danton lachte. »Meine Frau kennt meine Arbeitsweise noch nicht. Du schon, Pâris, oder? Ich muss keine Rede schreiben, mein Schatz. Ich habe das alles im Kopf.«
    »Dann setzt wenigstens den Bericht für die Presse vorher schon auf. Inklusive den Kommentaren, ›stürmischer Beifall‹ und das alles.«
    »Du lernst dazu«, sagte Danton. »Pâris, hat Saint-Just Camille erwähnt?«
    »Ich habe nicht bis zum Schluss abgewartet – sobald die grobe Richtung klar war, bin ich hierhergekommen. Ich nehme mal an, er ist nicht in Gefahr.«
    »Ich war heute Nachmittag im Konvent. Bin allerdings nicht länger geblieben. Da waren er und Robespierre ins Gespräch vertieft.«
    »Davon habe ich auch gehört. Offenbar sind sie sehr freundschaftlich miteinander umgegangen. Wäre es denkbar, dass …?« Er zögerte. Wie fragt man jemanden, ob sein bester Freund von ihm abgefallen ist?
    »Morgen im Konvent werde ich ihn dazu bringen, Saint-Just entgegenzutreten. Mal es dir aus: Unser Mann das Bild steifer Rechtschaffenheit, mit einer Miene, als hätte er gerade ein Beefsteak verspeist, und ihm gegenüber Camille, der ein paar Witze auf seine Kosten machen und dann von ’89 sprechen wird. Ein billiger Trick, aber die Galerie wird jubeln. Daraufhin wird Saint-Just die Beherrschung verlieren – nicht ganz einfach zu erreichen bei einem, der sich als griechische Statue geriert –, aber Camille kriegt das garantiert hin. Sobald der gute Mann anfängt zu toben, wird Camille in sich zusammensinken und hilflos dreinschauen. Dann wird Robespierre aufspringen, und es wird zu einer dieser ungeheuer emotionalen Szenen kommen. Und aus denen gehe ich immer als Sieger hervor. Ich gehe gleich bei Camille vorbei – oder nein, das besprechen wir besser morgen. Heute sollte ich Camille in Ruhe lassen. Er hat schlechte Nachrichten von zu Hause erhalten. Ein Tod in der Familie.«
    »Doch nicht sein hochgeschätzter Vater?«
    »Seine Mutter.«
    »Das tut mir leid«, sagte Pâris. »Ein ungünstiger Zeitpunkt. Womöglich ist er zu solchen Spielchen im Moment nicht aufgelegt. Danton – du würdest wohl nicht eine etwas weniger riskante Vorgehensweise in Betracht ziehen?«
     
    RUE MARAT , abends um halb zehn: »Ich hätte nach Hause fahren können«, sagte Camille. »Warum hat er mir nicht gesagt, dass sie krank ist? Er war hier, er hat in dem Sessel gesessen, in dem du jetzt sitzt. Warum hat er nichts gesagt?«
    »Vielleicht wollte er deine Gefühle schonen. Oder vielleicht haben sie gedacht, sie würde sich wieder erholen.«
    Am Jahresende hatte eines Tages ein Fremder vor der Tür gestanden, ein distinguierter Herr um die sechzig, mager, reserviert, mit einem imposanten eisengrauen Haarschopf. Sie hatte eine ganze Weile gebraucht, bis sie begriffen hatte, wer da vor ihr stand.
    »Mein Vater hat noch nie meine Gefühle geschont«, sagte

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