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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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getan«, sagte Lindet schroff. »Die anderen haben ihm das Messer auf die Brust gesetzt. Und dieser arme Teufel meint, er müsse für die Revolution am Leben bleiben. Ein schönes Leben wird das sein, nach dieser Entscheidung.«
    »Marat wurde vor dem Tribunal angeklagt«, sagte Danton. »Die Girondisten haben ihn festgenommen und vor Gericht gestellt, und die Aktion ist nach hinten losgegangen. Das Tribunal hat ihn freigesprochen. Das Volk hat ihn im Triumph durch die Straßen getragen. Er war stärker als je zuvor.«
    »Ja«, sagte Lindet. Aber damals, dachte er, hat das Tribunal noch auf seine Unabhängigkeit gepocht. Marat hatte eine Gerichtsverhandlung, glaubst du wirklich, dir wird man eine Gerichtsverhandlung zugestehen?
    Doch er sagte nichts. Er sah, wie Danton sich sammelte, wie er Mut fasste. »Die können mir ja wohl kaum den Mund verbieten, oder?«, sagte er. »Sie können mich festnehmen, aber sie müssen mich sprechen lassen. Also – die sollen mir erst mal kommen.« Lindet erhob sich. Danton klopfte ihm auf die Schulter. »Wollen wir doch mal sehen, wie die Mistkerle aus der Wäsche gucken, wenn ich mit ihnen fertig bin.«
     
    RUE MARAT , drei Uhr morgens: Camille hatte angefangen zu reden, kaum mehr als ein Wispern, aber flüssig, ohne jedes Stocken, als wäre ein Zwang von ihm genommen. Lucile hatte aufgehört zu weinen, sie saß jetzt in jenem benommenen, hypnotischen Zustand da, der auf extreme Gefühlswallungen folgt, und betrachtete ihn. Nebenan schlief das Kind. Draußen auf der Straße war es still, und auch im Zimmer war es still bis auf sein Flüstern, und dunkel bis auf das Licht einer einzigen Kerze. Wir könnten vom Universum abgeschnitten sein, dachte sie.
    »Weißt du, 1789 habe ich gedacht, irgendein Adliger wird mich durchbohren, ich werde ein Märtyrer für die Freiheit sein, wunderbar, es wird in allen Zeitungen stehen. ’92 habe ich dann gedacht, die Österreicher kommen und erschießen mich, na gut, das geht schnell vorbei, und danach bin ich ein Nationalheld.« Er fasste sich an den Hals. »Danton sagt, ihm ist es egal, was die Nachwelt von ihm denkt. Ich möchte gern, dass man einmal eine gute Meinung von mir hat. Aber es sieht nicht danach aus, oder?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lindet.
    »Aber nach alldem auf der falschen Seite der Revolution zu sterben – der Konterrevolution angeklagt zu sein –, das ertrage ich nicht. Robert, werden Sie mir helfen zu fliehen?«
    Lindet zögerte. »Dazu ist es zu spät.«
    »Ich weiß, dass es zu spät ist, aber trotzdem, werden Sie mir helfen?«
    »Nein, ich glaube nicht«, sagte Lindet sanft. »Wir würden beide geopfert werden. Es tut mir sehr leid, Camille.«
    An der Tür legte Lindet ihr den Arm um die Schultern. »Gehen Sie zu Ihren Eltern. Ab morgen ist das hier nicht mehr der rechte Ort für Sie.« Plötzlich wandte er sich um. »Haben Sie das ernst gemeint, Camille? Sind Sie wirklich bereit zu flüchten? Nicht zusammenzubrechen, sondern meinen Rat zu befolgen?«
    Camille blickte zu ihm auf. »O nein«, sagte er. »Nein, das will ich nicht. Ich habe Sie nur auf die Probe gestellt.«
    »Wozu?«
    »Egal«, sagte Camille. »Sie haben bestanden.« Er ließ den Kopf wieder sinken.
    Robert Lindet war fünfzig. Das Alter war seinem trockenen Administratorengesicht anzusehen. Sie fragte sich, wie man alt genug werden konnte, um so ein Gesicht zu bekommen.
     
    »Es wird bald dämmern«, sagte Lucile. »Und sie sind immer noch nicht gekommen.«
    Sie beginnt zu hoffen – die Hoffnung packt einen bei der Kehle wie ein Würger, und das Herz bleibt einem fast stehen – wäre es denkbar, dass Robespierre die Entscheidung irgendwie rückgängig gemacht hat, dass er seinen Mut zusammengenommen und es ihnen ausgeredet hat?
    »Ich habe Karnickel geschrieben«, sagte sie. »Das habe ich dir gar nicht erzählt. Ich habe ihn gebeten, zurückzukommen und uns zu unterstützen.«
    »Er hat nicht geantwortet.«
    »Nein.«
    »Er denkt, wenn ich tot bin, kann er dich heiraten.«
    »Das hat Louise auch gesagt.«
    »Was weiß Louise denn davon?«
    »Nichts. Camille, warum hast du ihn eigentlich immer Karnickel genannt?«
    »Beschäftigt das die Leute immer noch?«
    »Ja.«
    »Einfach nur so.«
    Sie hörte Stiefel draußen auf dem Pflaster, hörte, wie die Patrouille stehen blieb. Vielleicht, dachte sie, ist das die ganz normale Patrouille, es wäre die übliche Zeit. Wie das Herz einen belügen kann.
    »Da sind sie.« Camille stand auf. »Ich bin

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