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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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alles auf die Nase zu binden, das mußte nun auch wieder nicht sein, das entsprach auch gar nicht seinem Naturell.
    Einmal aber, das war wohl drei Jahre nach seiner Einstellung bei der »Weltwerbung« und ein Jahr nach seinem Treffen mit dem mächtigen Lütt, redete er ganz gegen seine Absicht doch, sogar richtig in Rage redete er sich, und das kam so:
    Carla und er saßen mit einem anderen Paar, mit dem, das ihnen zugeteilt worden war, an ihrem Tisch im größten Ferienheim von Ahlbeck, einem fünfgeschossigen langgestreckten Plattenbau am Ostende des Ortes. Sie nahmen ihr Abendbrot ein, sie waren jetzt den dritten Tag hier, sie hatten schon siebenmal mit dem anderen Paar gespeist, und dabei hatte sich zweierlei gezeigt: Erstens, daß der Mann, ein Ingenieur, und die Frau, eine Kartographin, nett und gebildet waren; und zweitens, daß bei ihnen alles Nette und Gebildete einem schneidend scharfen und, da gingen Erik und Carla hundertprozentig konform in ihrer Einschätzung, geradezu unausstehlichen Sarkasmus wich, sobald das Gespräch auf politische Fragen kam.
    Sagte also der freundliche, aber auch spöttische Ingenieur zu Erik: »Da wir nun schon von Ihrer Frau wissen, daß sie uns allen die erstaunlichsten Ernteschlachtgemälde malt, und da auch Sie beide schon darüber informiert sind, welchen Tätigkeiten wir nachgehen, wäre es doch eigentlich schade, wenn wir noch länger zusammensitzen würden, ohne zu erfahren, was Sie so treiben, ich meine beruflich gesehen.« Dazu nickte er aufmunternd.
    »Ich bin in der Werbung«, antwortete Erik ausweichend und doch wahrheitsgetreu.
    »In der Werbung?« fragte der aufrichtig erstaunte Ingenieur; »in welcher Werbung?« fragte seine perplexe Frau.
    Erik wägte noch seine Worte, als die Kartographin schon weiterfragte und ihr Mann auch: »Gibt es etwa in unserem Land noch Werbung?« – »Wozu sollte es denn hier noch Werbung geben?«
    Erik und Carla schnappten nach Luft. Was die anderen beiden gar nicht zu bemerken schienen. Ihre Mienen waren auf einmal versonnen, und der Ingenieur sagte zu seiner Frau: »Ach, als es noch die Tausend Tele Tipps gab, ja das waren noch Zeiten …«
    »Goldene Zeiten«, bestätigte die Frau.
    Der Ingenieur setzte sich nun kerzengerade hin und bewegte seine Hände, als umfaßten sie ein Lenkrad. Dann schwärmte er: »So fahren, fahren, fahren!«
    Seine Frau lümmelte sich in ihren Stuhl und zog eine Schnute: »Trotzdem könnte er ruhig mal anhalten.«
    Der Ingenieur, dies überhörend, schwärmte unverdrossen weiter: »Wunderbar, so reisen, reisen, reisen!«
    Die Schnute in ihrer Not: »Einen Hunger hab ich, und Durst auch.«
    Der Ingenieur, nun das erste Mal zu seiner beinahe sterbenden Beifahrerin blickend: »Ist was?«
    Plötzlich spiekte sie ihren Zeigefinger in Richtung Carla: »Da, eine Konsumgaststätte!«
    Der Fahrer, mit auf einmal pathetischer Stimme: »Schnelle Bedienung für eilige Gäste, und alles so, daß man sich wohl fühlt.«
    Seine Frau, ihren Zeigefinger mit bedeutsamem Blick in die Senkrechte führend: »Eine gute Sache, so eine Konsumgaststätte!«
    »Halten Sie doch auch mal an!« Die abschließende Aufforderung ihres Mannes galt Erik.
    Dann brachen die beiden Vortragenden in schallendes Gelächter aus. Das der Ingenieur mit einem ruckartigen Kopfwenden zum Büffet hin beendete. Alle folgten unwillkürlich seinem Blick, sahen aber nur die üblichen Teller und Schüsseln.
    »Da ist er!« triumphierte der Ingenieur. »125 Kilometer pro Stunde! Ausgezeichnete Straßenlage! Kofferraum«, er schaute zu seiner Frau, die sogleich mit ihren Händen etwas Rundes formte, »Kofferraum für 57 Fußbälle! Modernste«, die Frau zeichnete einen recht klobigen Kasten in die Luft, »modernste Karosserieform – der neue Wartburg 1000!«
    War jetzt das Kabarett beendet? Erik und Carla, die gequält lächelten, hofften es stark.
    Vergeblich, die Vorstellung ging weiter, Ingenieur und Kartographin waren ja auch gerade erst in Schwung gekommen und warfen sich in immer schnellerem Rhythmus die Bälle zu.
    Er: »RFT-Fernsehgeräte – mit gutem Bild Kontakt zur Welt!«
    Sie: »Malimo hat Weltniveau!«
    Er: »Ein guter Rat bei Sonnenglut – Röstfein schmeckt auch kalt sehr gut!«
    Sie: »Moment … Moment noch … jetzt hab ich’s wieder:
    Ein Mensch, der täglich kochen muß,
    spürt irgendwann den Überdruß.
    Doch Schöpfergeist verzagt mitnichten,
    die kluge Frau fängt an zu dichten.
    Ein Kunstwerk wird der Rotkohlkopf,
    geformt für

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