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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Schüssel oder Topf,
    genial geschmacklich kombiniert
    und farbharmonisch nuanciert.
    Fürwahr ein Vitamingedicht,
    Lukullus selbst könnt’s besser nicht.
    Seht nur, wie die Lippen schlecken,
    so köstlich kann nur Rotkohl schmecken.«
    Die Kartographin holte erschöpft Luft, und Carla, die jeden der vorgetragenen Sprüche kannte außer den letzten, weshalb sie vermutete, ihre Tischnachbarin habe sich ihn ausgedacht, nutzte die Gelegenheit zu fragen, ob man denn »immerzu alles verhohnepipeln« müsse.
    Für den Ingenieur war das ein Stichwort, auf das er nur gewartet zu haben schien. »Richtig«, pflichtete er Carla bei, »ganz richtig, Wartburgwerbung ist reinster Hohn, denn willst du einen kaufen, kriegt ihn erst dein Sohn!«
    Hierzu erklärte Carla, sie könne »dieses ewig Mokante« langsam nicht mehr hören, es sei schließlich keine Kunst, auf allem dauernd nur herumzuhacken.
    Die Kartographin war da anderer Meinung: »Keine Kunst? Der Wartburg-Reim ist aus Nelken in Aspik , und Nelken in Aspik ist ein toller DEFA-Fim – nicht?« Sie erbat sich Bestätigung von ihrem Mann.
    »Ein toller Film. Leider ganz bald nach seiner Premiere der Altfilmverwertung zugeführt. Warum eigentlich?« So fragte er Erik und Carla.
    Achselzucken.
    »Womöglich, weil nach der Ausbürgerung des Sängers fast alle Hauptdarsteller in den Westen gegangen sind?«
    Wie sie diese Worte hörte, mußte sich die Kartographin schnell nach was erkundigen: »Ach, Liebling, warum sind eigentlich wir noch hier?«
    Jetzt geht’s aber ans Eingemachte, dachte sich Erik, die beiden hier, die wissen kaum, wer vor ihnen sitzt, und trotzdem scheinen sie überhaupt keine Angst zu haben, sie reden ja, als wären sie ganz unter sich.
    »Wir verweilen hier wegen der vielen schönen Sachen, die unser Leben bereichern«, antwortete aber der Ingenieur, und Erik ahnte, sie wollten nur noch ein bißchen ihre Show fortsetzen.
    »An welche denkst du?« fragte die Kartographin honigsüß.
    »An unsere KWV-Wohnung: Kann Weiter Verfallen.«
    »Hm«, machte sie, »und ich gehe sooo gern in den Konsum: Kauft Ohne Nachzudenken Ständig Unseren Mist.«
    Und er, auf sein Handgelenk zeigend: »Ruhla-Uhren gehen nach wie vor.«
    Und sie, mit den Beinen strampelnd: »Wer Mifa fährt, fährt nie verkehrt, weil Mifa überhaupt nicht fährt.«
    Und wieder er, und wieder sie, immer abgenudelter wurden ihre Sprüche, langsam ging den beiden wohl die Puste aus, aber zumindest Erik war geneigt, diese Leute in gewisser Weise zu verstehen. Jede Schlamperei und jeder Engpaß, alles, was sie hier auf die Schippe nahmen, war doch wirklich nicht gutzuheißen und durfte und sollte kritisiert werden. Er selber tat das ja auch, zusammen mit Weißfinger, wenn sie abends saßen und tranken, wenn sie, ohne aber gleich in Defätismus zu verfallen! nach Auswegen aus dem Dilemma suchten. Und genau das ist der Unterschied, dachte er: Diese beiden hier, die suchen nach gar nichts mehr, die haben schon längst abgeschlossen mit allem, die können doch gar nicht mehr anders reden als abfällig, da hat Carla vollkommen recht.
    In ihm regte sich Unmut über eine solch unproduktive Haltung. Auch vermißte er bei dem Ingenieur und der Kartographin jeglichen Heimatstolz: Er wußte, wie hart hier auf dem Flecken, wo sie lebten, gekämpft werden mußte, um in der weiten Welt zu bestehen, und man bestand gar nicht schlecht, nicht so schlecht, wie die beiden es darstellten, auch das wußte er, sie aber, sie wußten es scheinbar nicht, oder sie wollten es nicht wissen, so wie sie hier mit Schmutz um sich warfen.
    Entschlossen sagte er: »Nun aber mal zurück zum Thema. Sie wünschten zu erfahren, was ich arbeite, davon sind wir, oder besser gesagt Sie, ein wenig abgekommen. Ich kann Ihnen sagen, es gibt noch eine andere Art Werbung als die, über die Sie sich, vielleicht gar nicht mal zu Unrecht, ausgelassen haben. Von der bemerken Sie nur nichts. Und zwar ist das die Werbung für Exportartikel unserer Industrie. Es mag Sie überraschen, aber hierzulande werden durchaus Produkte hergestellt, die im Ausland, sogar im kapitalistischen, Absatz finden, und …«
    »… von denen wir genau deshalb nichts sehen«, warf der Ingenieur ein.
    »Sie könnten ihn ja wenigstens mal ausreden lassen!« Carla war es, die das vorgeschlagen hatte.
    In der Tat schwiegen nun Ingenieur und Kartographin, und Erik wiederholte: »Damit also diese hierzulande gefertigten Produkte bei dem überquellenden Angebot im westlichen

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