Brüder und Schwestern
Fachmann zu Fachmann etwas über die Druckerei in Kairo zu erzählen, auch schnell begreifen mußte, wie wenig der junge, scheinbar gelassene Mann in Wahrheit überhaupt noch aufzunehmen imstande war.
Man zahlte bald. Catherine sagte in beiläufigem Ton zum Nachbartisch: »Wir würden jetzt gern Herrn Felgentreu nach Hause bringen. Das stößt auf Ihr Einverständnis, denke ich.«
Abermals konnte der Scherge ihr schwerlich etwas entgegnen, und so kam es, daß die drei vorangingen und er ihnen, in einem Abstand von vielleicht fünf, sechs Metern, folgte. Es wurde kaum noch ein Wort gesprochen. Beim Abschied zauberten Catherine, Aziz und Jonas dann wie auf einen Schlag Heiterkeit und Fröhlichkeit hervor, man drückte und küßte sich und wünschte sich lachend alles Gute; aber sobald sie sich getrennt hatten, wurden ihre Mienen düster, und es trat deutlich zutage, wie bang und hoffnungslos sie sich tatsächlich fühlten.
Am Steuer
Schwüler Juni, Tage, die verdunsteten. Der Himmel von fahlem Weiß, die Sonne von schleierhaftem Gelb; es schien, als hinge da oben ein riesiges zerlaufenes Spiegelei. Unten die Menschen taten nur das Nötigste, und selbst das Wasser der Peene schien jede Bewegung zu scheuen. Träge bemühte es sich zur Seite, als der Bug der »Barby« es zerschnitt, langsam rollte es aufs Ufer zu, das jede Welle mit einem schweren Seufzen schluckte.
Die »Barby« war 70 Meter lang. Ihr Tank faßte 15 000 Liter Diesel, ihr Hauptmotor hatte 420 PS, mit einem Wort, es handelte sich bei ihr zwar um keinen Ozeandampfer, aber eben auch um keinen Äppelkahn, sie war eine belastbare Lady, derer Matti sich nicht zu schämen brauchte und der manche am Ufer, als wären sie selber Schiffer, betont lässig einen Gruß entboten, indem sie sich mit Zeige- und Mittelfinger an ihre Schläfe tippten und dann die Finger nach außen schwangen.
Das Schiff kam aus Anklam und fuhr nach Eisenhüttenstadt. Es hatte sowjetisches Erz geladen, das die Hitze speicherte wie Saunasteine. Matti, der sich am Bug zu schaffen machte, hörte seinen Steuermann Peter Schott rufen, also ging er aufs Steuerhaus zu, er hielt sich auf dem Stringer, dem metallischen Gang zu beiden Seiten der jetzt glühenden Ladebühne, hart an der Reling, um wenigstens ein kleines Lüftchen zu erhaschen; hierbei trug er Holzpantinen, die bei jedem Schritt unangenehm auf dem Eisen klackten, und doch blieb ihm keine Wahl, denn hätte er Lederschuhe benutzt, wären ihm die Sohlen glatt weggeschmolzen und seine Füße gleich mit.
Peter Schott war, wie Matti, noch keine 30 Jahre alt, hatte aber schon ein paar Falten im Gesicht, Falten, deretwegen ihn freilich niemand bedauern mußte. Sie verliehen ihm ein imposantes Aussehen, scharfe Linien waren das, die von einem klaren und vielleicht sogar verwegenen Charakter kündeten. Wer Schott das erste Mal traf, spürte sofort, dieser Mann hatte nichts Verwaschenes. Überdies glänzte er (jetzt in der Hitze buchstäblich) mit einem kräftigen Körper und störrischen schwarzen Locken, die ihm ins Gesicht und bis auf die Schultern fielen. Einige der Locken changierten bereits ins Gräuliche, aber auch das machte nichts; alles in allem sah dieser Mann nicht mehr ganz jung aus und vermittelte doch den Eindruck bester Frische und herrlichsten Draufgängertums.
Übrigens war Peter Schott Berliner und pflegte seine Reden mit der Bemerkung »Ick sage nur zwei Worte« einzuleiten, und wenn es dann in der Regel auch ein paar mehr Worte wurden, so gehörte er deshalb noch lange nicht zu den Schwätzern und Endlosplauderern; er brauchte in der Tat nicht viel, um sich auszudrücken, deutlich auszudrücken.
»Kannste übernehm?« fragte er, nachdem Matti zu ihm ins Steuerhaus geklettert war. Er wies mit seinem Kopf nach vorn und fügte hinzu: »Ditt Brett ruft.«
Matti verstand. Vor ihnen öffnete sich das Stettiner Haff. Die Wellen, die ihr Kahn warf, würden sich dort weiter ausbreiten als auf der schmalen Peene, und das wollte Peter Schott sich, wieder einmal, zunutze machen. Matti übernahm also das holzbeschlagene Steuerrad.
»Bistn Kumpel.« Schott stapfte die 60 Meter zum Bug, verschwand unter Deck und tauchte wenig später mit einem alten Brett auf, an dem zwei schwarze gebogene Teile befestigt waren. Von weitem hätte man sie gut und gerne für ausgestopfte Raben halten können, aber Matti wußte natürlich, worum es sich in Wirklichkeit handelte: um zwei in Knöchelhöhe abgeschnittene Gummistiefel. Peter Schott
Weitere Kostenlose Bücher