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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Zusammenrottung, bildet sich woanders gleich die nächste, und dann dauert es nicht lange, und irgendein Filmchen darüber landet im Westfernsehen und dient als Anleitung für immer weitere Auswüchse – nein, Begleitschutz, unauffällig, bis vor die Tür! So wird niemand je davon erfahren, daß hier an so etwas wie einen Streik auch nur gedacht worden ist.«
    Willy wandte ein, er sehe sich außerstande, das eben Gehörte an seine Mitarbeiter weiterzugeben, aber Altenhof entband ihn leichterhand von dieser Aufgabe, indem er sagte, das wäre sowieso nicht nötig und sogar kontraproduktiv: »Deine Leute werden früh genug merken, wie der Hase läuft.«
    Damit legte Altenhof auf. Willy bebte am ganzen Körper. Er spürte Brechreiz und riß das Fenster auf, kalte feuchte Luft schlug ihm entgegen, ein fleddriges nasses Tuch, das er minutenlang auf der Stirn beließ.
    *
    So, wie Altenhof es angekündigt hatte, wurde alles in die Tat umgesetzt. 20 Minuten nach dem Telefonat fuhren drei Ikarus-Busse aufs Werksgelände, in denen es geradezu blitzte und blinkte vor Sicherheitsnadeln. Und das waren, im Gegensatz zu Felix Freieisen, sämtlich stumme Gesellen. Freieisen aber sprach schon wieder, wenn auch nur kurz: Er nahm die Männer in Empfang, wies die Kommandeure in die örtlichen Gegebenheiten ein und händigte ihnen bereits auch Listen mit den Adressen der einzelnen Kollegen und sogar Wegbeschreibungen aus. Das Ganze dauerte nicht länger als drei Minuten, dann verschwand Freieisen vom Hof. (Er wurde an diesem Tag auch nicht mehr gesehen, weder im Betrieb noch in der Stadt, weiß der Teufel, wo er sich aufhielt, und das mußte ein Befehl gewesen sein: Abtauchen, damit ihn später niemand allzu direkt mit den Ereignissen in Verbindung bringen und er weiterhin seinen Auftrag erfüllen konnte. Tatsächlich erschien er am nächsten Morgen im »Aufbruch«, als wäre nichts gewesen, und am übernächsten sowieso, und obgleich man es in Belegschaftskreisen für geradezu dreist hielt, wie jungfräulich er sich darstellte, konnte man ihm doch nichts Genaues vorwerfen; man spürte, daß bei ihm eine besondere Heimtücke und Verschlagenheit im Spiel war, kam aber nicht gegen sie an.)
    Die Männer, einige in wattierten Lederjacken, einige in langen Mänteln aus grobem Stoff, postierten sich in den Hallen hinter den Arbeiterinnen und Arbeitern. Auf einmal waren sie da und bildeten eine Art Kordon. Manche Arbeiter bemerkten sie sofort, andere erst später. Wie eine Welle ging das Erkennen durch die Hallen. Die Arbeiter warfen sich erstaunte und verängstigte Blicke zu. Sie blieben stumm. Nur wenige Naive unter ihnen begriffen nicht gleich, aber das waren kaum mehr als zwei oder drei. Sie starrten die Fremden ein paar Augenblicke neugierig an. »Weiterarbeiten, arbeiten Sie weiter«, wurde ihnen aus dem Kordon heraus zugezischt. Der Ton machte sie frösteln, und sie taten wie geheißen.
    Nur einer, einer von denen, die alles gleich verstanden hatten, wagte von seiner Maschine zu treten und gar auf die Schilde und Speere der Partei zuzugehen, das war Michael Höft. »Zurück, weiterarbeiten«, wurde auch ihm zugezischt, aber er ging seitwärts, schritt gewissermaßen die Reihe der Eindringlinge ab. Dabei sah er sie aufmerksam und scheinbar ohne Furcht an. Niemand reagierte, nur Blicke hakten sich an ihm fest. Bald war er am Ende der Halle angelangt, in der die modernen Druckmaschinen standen, gleich würde er seinen Fuß in die Binderei setzen, beide Hallen gingen ineinander über. Da stellte sich ihm ein Mann in den Weg, der nicht Teil des Kordons gewesen war. Er war blond und apfelwangig, und er überragte Michael Höft um einen Kopf. Höft fixierte ihn, aber schon drängte der Blonde ihn zurück, einfach, indem er nach vorne ging, ohne Zuhilfenahme seiner Arme. »He«, rief Michael Höft, »was erlauben Sie sich!« Der Blonde schob weiter, bis Michael Höft sich kiefermalmend umwandte und von selber lief, fast stolperte er hin zu seinem angestammten Platz. Nun hörte man lange Zeit nur die teils rhythmischen, teils splittrigen Geräusche der Maschinen, das Stampfen und Bolzen des eisernen Orchesters. Keine Stimmen und Rufe wie sonst, keine Flüche, keine Schritte. Aber war da nicht ein bestimmter Blick und ein gewisses Kopfneigen von Michael Höft? 20 Meter entfernt stand Dietrich Kluge und nickte auch kaum merklich. Eine routinierte Handbewegung. Kein Fremder kriegte mit, daß jetzt eine Maschine schneller druckte, so schnell, wie’s

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