Brüder und Schwestern
weiter«, sagte Langhammer freundlich. »Wir werden überall rumerzählen, wie es wirklich gewesen ist, darauf könnt ihr euch verlassen.«
»Unter einer Voraussetzung: daß ihr uns dafür einen ausgebt«, forderte Billerbeck abermals.
Worauf Peter Schott nur zwei Worte sagte: »Is jebongt.« Er winkte Rusch heran und bestellte eine Runde Rot-Weiß.
»Rot-Weiß«, stöhnte nun jedoch Billerbeck, und auch der Maschinist Klopsteg äußerte sich ausnahmsweise, wenngleich nur, indem er sich angeekelt schüttelte.
»Vorsicht«, rief Peter Schott, »oder wagt hier jemand, watt jegen die heilijen Farben von Union einzuwenden?«
»Dy-na-mo«, kam es kaum hörbar aus dem Munde von Lehrling Männel, wobei das, was man hörte, zutiefst sächsisch klang.
»Wie süß«, rief Peter Schott, »trauste dir ooch lauter?«
»Dy-na-mo, Dy-na-mo.« Lehrling Männel mühte sich redlich.
Peter Schott schaute ihn mitleidig an. Dann spreizte er seine Arme, riß den Mund auf und brüllte mit einem Organ, das geeignet gewesen wäre, Gewitterdonner zu übertönen: »Ju-nei-tett! Ju-nei-tett!« Dazu warf er die Arme rhythmisch nach vorn, es schien, als schleudere er jede einzelne Silbe in die Luft. Er beschloß seinen Ausruf, indem er beide Fäuste auf die Tischplatte fahren ließ. Lehrling Männels Glas, das hart am Rande des Tisches stand, kippelte und fiel zu Boden, und ein Schwall Bier ergoß sich auf seine Oberschenkel.
»Schei-ße!« schrie Männel; »jeht-doch«, antwortete Peter Schott.
Im Schankraum wurde es still. Man konnte die Rauchschwaden ziehen hören. Da meckerte von hinten die Ziege, und an allen Tischen wurde gelacht, und auch Rusch, der Peter Schott tadelnd angeschaut hatte, fiel auf seine Art in das Lachen ein, indem er nämlich seine buschigen Augenbrauen ironisch nach oben zog.
Rusch brachte nun sieben Kirsch und sieben Klare, dazu sieben neue Biere. Männel warf er mit den Worten, »das wischste selber auf, wir sind hier kein Interhotel«, einen Lappen vor die Füße; da konnte sich der Lehrling auch gleich denken, warum alle die Kneipe, die eigentlich »Im schönen Wiesengrund« hieß, »Interhotel« nannten.
Während Männel wischte und von mehreren Gästen an anderen Tischen mit hämischen Kommentaren überzogen wurde, fragte Langhammer laut und vernehmlich in Richtung Peter Schott: »Wieso schreit ihr eigentlich immer ›United‹?« Jeder wußte, er interessierte sich eigentlich gar nicht für Fußball. Wollte er vielleicht alle nur von seinem Lehrling ablenken? Er war wirklich ein feiner Kerl, dieser Langhammer.
Peter Schott, es ging um Union, und Union konnte von ihm nicht oberflächlich behandelt werden, antwortete gewissenhaft und wahrheitsgetreu: »Ditt isn Ausdruck unserer Liebe zum englischen Fußball. Union is Juneitett, und Union spielt ooch so. Kick and Rasch, sagen wir Fachleute dazu. Ehrlicherweise muß ick zujeben, daß ditt nur bedeutet, daßwa die Bälle hinten rausdreschen und vorne uffn lieben Jott hoffen. Denett, wie man ja weeß, leider nich jibt.«
»Aber wieso liebt ihr den englischen Fußball, ihr könnt ihn doch gar nicht sehen«, wunderte sich Langhammer.
»Ditt is absolut korrekt, watte sagst«, erklärte Peter Schott mit ernster Miene, »und ditt is ooch, umitt mal uff englisch zu sagen, ditt größte Handicap, wattick als Bürger dieses Landes trage – wie jesagt, ick rede nur von mir, mein juter Freund Matti«, er klopfte ihm liebevoll auf die Schulter, »der zum Beispiel stört sich, woran störste dir, Matti, ick weeß nur, is mehr watt Ideellet, jut, muß jetzt ooch nich sein, daßwa ditt hier klärn, ick empfindet jedenfalls als größtet Handicap, oder uff Deutsch: als unglaubliche Sauerei, daßick nich nach England fahrn und da richtijen Fußball kucken darf.«
»Man liebt genau das, was einem vorenthalten wird«, sagte Lehrling Männel, der mit dem Wischen fertig war, etwas altklug. Es klang auch wie ein Schlußsatz.
Aber für Peter Schott war das Thema noch nicht beendet. Er erklärte, es gebe schon Möglichkeiten, den englischen Fußball kennenzulernen, ganz so sei es nicht. Er wolle dies mit einer kurzen persönlichen Geschichte belegen, die sich schon vor mehr als zehn Jahren ereignet habe, 1972. Er sei damals im Trainingslager gewesen, er habe ja selber gespielt, aber nur unterklassig: »Und da warn wir in so Baracken unterjebracht, acht Mann in eem Zimmer. Und an eem Abend während dieses Trainingslagers spielt uffm heilijen Rasen von Wembley England jegen die
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