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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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könne nicht, sagt sie. – ›Aber warum denn nicht, Süße?‹ – ›Mir ist nicht ganz wohl.‹ – ›Im Magen, oder wo?‹ – ›In der Seele‹. – ›Hm. Was hat denn die liebe Seele?‹ – ›Sie kann irgendwie nicht.‹ – ›Herrje, nun drehn wir uns aber im Kreis, Süße. Laß uns doch einfach vorwärts gehn.‹ Und Schlotzke versucht, die sich Zierende an Bord zu ziehen. Aber sie sträubt sich. Da wird er unwirsch und ruft, ›wieso biste dann erst mitgekommen‹? Durchaus berechtigte Frage, in meinen Augen, aber weiter. Das Fräulein wird plötzlich wieder ganz weich und haucht: ›Ich bin mit dir gegangen, weil ich glaubte, daß ich dich mögen könnte.‹ Na, dem stünde doch nichts entgegen, dem Mögen, haucht nun auch Schlotzke. ›Doch‹, haucht jetzt wieder sie. – ›Was denn, Süße?‹ – ›Das hier.‹ Und sie zeigt auf seinen Ehering. – ›Das?‹ – ›Ja, das. Ich kriege ein richtig schlechtes Gewissen, wenn ich diesen Ring sehe, ich kann nichts dagegen tun, ich muß unweigerlich denken, daß ich mich zwischen dich und deine Frau dränge.‹ – ›O Süße, das ist wirklich süß von dir, aber mach dir keine Sorgen, ich bin’s doch, der gerade drängt, nun komm, nun komm schon, ja?‹ – ›Nur wenn du den Ring abmachst.‹ – ›Und das würde dich erleichtern, Süße?‹ Sie nickt. Da streift Schlotzke den Ring ab, genauer gesagt, er versucht es. Aber der Ring sitzt sehr fest. Nun hilft sie ihm, beide strengen sich an, den Ring vom Finger zu kriegen, und dabei geschieht’s, der Ring geht mit einem Ruck ab und fällt ins Wasser. Gluck gluck, weg ist er. Schlotzke weiß gleich, daß er ihn in dem Schlamm des Hafenbeckens niemals wiederfinden wird, und ist fürchterlich sauer auf seine neue Bekanntschaft. Im geheimen bezichtigt er sie, alles beabsichtigt zu haben. Sie ist eine Schlange, seiner, und übrigens auch meiner Meinung nach. Und zwar, wodurch wird diese Meinung gestützt? Dadurch, daß die Süße entsetzt aufschreit und kreischt, ›o nein, das ist ein Zeichen, ich bringe dir nur Unglück, ich muß gehen, sofort muß ich gehen, ich darf hier nicht länger bleiben, sonst geschieht dir vielleicht noch mehr Schreckliches, das kann ich nicht verantworten‹. Und schon rennt sie fort. Schlotzke brüllt ihr die gröbsten Verwünschungen hinterher, aber es nützt natürlich nichts. Sie ist weg, und vor allem – ist der Ring weg.«
    An dieser Stelle machte Billerbeck eine demonstrative Pause. Wie von ihm gewünscht, fragte nach wenigen Augenblicken jemand, »und dann«?
    »Und dann versuchte Schlotzke natürlich, genau so einen Ring aufzutreiben. Der war aus Gold und hatte ein bestimmtes Muster drin. Schlotzke rannte in den Intershop, wo er knapp sieben Jahre zuvor die Ringe gekauft hatte, er besitzt ja, wie ihr bestimmt wißt, die Durchfahrtsgenehmigung für Westberlin; heißt, er kriegt zwei D-Mark pro Tag, wenn er drüben ist. Somit verfügte er über die nötige Kohle. Aber der Intershop, hehe, der verfügte nach einer derart langen Zeit nicht mehr über das Modell, das er suchte. Was tat da unser Schlotzke? Er kaufte kurz entschlossen ein anderes, und zwar in zweifacher Ausfertigung, ein Exemplar kleiner, eines größer. Und damit trat er dann bei seiner Frau an: ›Sieh mal, Süße, was ich hier für uns habe! Sind sie nicht wunderschön? Oh, ich mußte diese herrlichen Ringe kaufen, ich mußte einfach. Aber ich habe sie nicht nur gekauft, weil sie so wunderschön sind, obwohl das allein ein hinreichender Grund gewesen wäre. Da waren noch zwei weitere Gründe, meine Süße. Ich konnte doch, wie du längst bemerkt hast, den Finger kaum noch bewegen, so eng hat der alte Ring gesessen, ein neuer war also auch aus rein technischen Gründen notwendig. Aber vor allem, vor allem meine ich, der Mensch, der liebt, soll seiner Liebe immer wieder Ausdruck verleihen, um sie auf diese Weise lebendig zu halten und sogar zu verstärken, genau, zu verstärken, und ich dachte mir, ich tue das am besten, indem ich uns mit neuen Ringen beschenke und dir nun also diesen Ring überstreife, hier, meine Süße, er soll dir im siebenten Jahr unserer Ehe sagen, gerade in diesem angeblich verflixten Jahr soll er ein Zeichen für dich sein, daß ich dir wie an unserem ersten Tag zu Füßen liege – und Süße, der Teufel soll mich holen, wenn ich das nach noch einmal sieben Jahren nicht wiederhole, und dann wieder, und dann wieder, immer wieder, Süße!‹ Und seine Frau schmolz regelrecht

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