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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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sie sich gegenübertreten würden, und immer hatte er gedacht, ihm würde der Atem stocken. Aber das geschah nicht. Kein Wort brachte er hervor; denn nicht nur die Aufregung läßt einen sprachlos werden, die überraschend ausbleibende Aufregung auch.
    »Matti«, rief Karin Werth, »was für ein Zufall, gerade komme ich vom Fluß.«
    Matti raffte sich zu einem Nicken auf.
    »Das ist wunderbar, daß wir uns hier treffen, ich freue mich sehr«, sagte Karin Werth weiter. Und da er immer noch nichts sagte: »Aus vielerlei Gründen ist mir das eine richtige Freude.«
    Plötzlich spürte er, wie doch ein Gefühl in ihm hochstieg: Zorn. Eine Aversion war das gleich. Sie redete hier von Freude, Karin Werth, sie tat, als wären sie die besten Freunde, dabei hatte sie sich damals mit ihm ein schnelles Vergnügen gegönnt, und dann war sie ohne Erklärung gegangen, und er hatte dagestanden und noch lange an ihr laboriert. Man schaue sie sich nur an, eine Freude war es ihr, eine Freude, das höre man sich nur an! Er haßte sie plötzlich, oder der Haß brach endlich hervor.
    »Ja, na, du brauchst ja nichts zu sagen. Vielleicht checkst du erstmal ein und nimmst eine Dusche? Du schwitzt ja fürchterlich – wieso schwitzt du denn so?«
    Matti stellte eine garstige Gegenfrage: »Vielleicht, weil die Sonne knallt?«
    Karin Werth blickte ihn irritiert an. »Du bist doch nicht etwa den ganzen Weg vom Bahnhof gelaufen?«
    Schweigen.
    »Aber du hättest ein Taxi nehmen können! Ich habe dir doch geschrieben, ›Westenend‹ übernimmt alle Kosten, das ist üblich, und das ist selbstverständlich, wenn wir mit Autoren arbeiten, da mußt du keine Skrupel haben. Ach, in diesem Zusammenhang – du brauchst an der Rezeption deinen Paß ausdrücklich nicht zu zeigen. Dies ist ein Devisenhotel, in dem du als DDR-Bürger eigentlich nicht wohnen dürftest, aber ich habe alles geregelt. Unterschreib einfach das schon ausgefüllte Formular, ja?«
    »Gerne bin ich dein Anhängsel«, stieß Matti hervor.
    »Du bist mein Autor«, sagte Karin Werth mit sanfter Bestimmtheit. Und so schaute sie ihn an, sanft und eindringlich – aber auch alarmiert. Fragte sie sich jetzt langsam, was er hatte, ihr Autor?
    Am schlimmsten war es in der Enge des Fahrstuhls, mit dem sie hinauffuhren in den achten Stock, zu ihren unmittelbar nebeneinanderliegenden Zimmern. Matti stand hier, und Karin Werth stand da, und eine lastende Stille lag zwischen ihnen. Matti brach sie, indem er unwirsch fragte, wo sie beide sich das Manuskript vornehmen würden, bei ihr im Zimmer oder bei ihm. Er erhielt folgende Auskunft: Da man in keinem Hotelzimmer der Welt längere Zeit inspiriert zu arbeiten imstande sei, habe ihr Verlagsleiter, Overdamm sein Name, sich rechtzeitig in Verbindung gesetzt mit einem ihm gut bekannten Prager Autor. Nun, und diesem sei es eine Freude, ihnen für die Dauer ihres Aufenthalts seine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Sie befände sich, welch glückliche Fügung, gewissermaßen um die Ecke, in einer kleinen ruhigen Straße der Josefstadt, keine fünf Minuten seien es dorthin, sie, Karin Werth, habe das soeben geprüft und die Wohnung schonmal inspiziert, eine herrliche Räuberhöhle, genau das richtige für sie beide, sofern es ihnen gelänge, wenigstens den riesigen, mit Papieren belegten Schreibtisch freizuschaufeln, und das würden sie doch schaffen, oder?
    Karin Werth war geradezu ins Schwärmen geraten, sie drückte hellste Vorfreude aus, aber Matti war absolut nicht bereit, ihr zu folgen. Obgleich er selber merkte, daß etwas Ungutes in seinem Handeln lag, schwieg er verbissen. Ihre Angebote, er ging einfach nicht auf die ein.
    Unter der Dusche rief er, allerdings mit unterdrückter Lautstärke, damit nebenan Karin Werth es nicht hören konnte: »Gottserbärmliche Scheiße! Verstockter Idiot! Was machst du bloß! Was machst du denn!«
    Er ließ das Wasser auf sein Gesicht prasseln, drei Minuten, fünf, zehn, und versuchte mannhaft, aus seinem Trotz herauszufinden, mannhaft, weil er einige recht unangenehme Überlegungen anstellte: Was erwartest du eigentlich von ihr? Sag mal! Daß sie sich entschuldigt, damals mir nichts dir nichts verschwunden zu sein. Daß sie sich erklärt. Ja, darum geht es dir in Wahrheit. … Aber sie, sie kennt doch deine Erwartungen nicht. Nicht einmal du selber kanntest sie bis eben, sei ehrlich, nicht einmal du selber. Was sie nun aber kennt, das ist dein stummer Grimm, mit dem hockt sie jetzt in ihrem Zimmer. Wird sie es

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