Brüder und Schwestern
hatte.
*
Barfuß, wie sie war, kam Catherine von hinten auf ihn zu, er hörte es am Knarren der Bohlen. Matti versuchte, sich zu sammeln, aber es gelang ihm nicht. Als Catherine ihn arglos ansah, spürte er, wie gehetzt er blickte, und sie bemerkte es auch. Ehe sie etwas fragen konnte, streckte er ihr den Brief hin, er wedelte damit, um zu kaschieren, daß seine Hand zitterte.
Wenig später war es Catherine, die sich beim Lesen umdrehte. Langsam wanderte sie durch das Zimmer, derweil Matti sich ans Fensterbrett lehnte und sie beobachtete, jetzt mußte sie sich verhalten und nicht mehr er, das hatte er prima eingerichtet.
Catherine zeigte sich während des Lesens und Wanderns ernst und konzentriert. Dann schien es, als gebe sie sich einen Ruck, und sie begann zu lächeln und auf Matti zuzugehen. Sie reichte ihm den Brief zurück und sagte, »das ist doch wunderbar, das ist doch sensationell«, und er merkte, wie sie sich selbst überzeugen mußte von dem, was sie sagte.
»Du gehst doch auf den Vorschlag ein«, rief sie, »du fährst doch nach Prag? Du wärst schön dumm, wenn du es nicht tätest!« Sie trug dabei eine bemitleidenswert fröhliche Miene zur Schau.
»Na«, brummte Matti, »es kostet mich wirklich nichts. Ich werde ja hören, was … was Karin Werth so alles an dem Manuskript zu bekritteln hat und wie der Vertrag aussehen soll. Dann kann ich immer noch entscheiden.« Er schluckte, beinahe hätte er den Namen nicht über die Lippen gebracht.
»Ihr werdet euch schon einigen«, sagte Catherine aufmunternd, »Karin Werth wird sicher nichts tun, das nicht zu deinem Besten ist.«
»Sie hat schon ein Gespür für Texte«, murmelte Matti. Weder wollte er sie verunglimpfen, noch wollte er sie in den Himmel heben, ganz normal sollte es klingen.
»Ja, ich erinnere mich.« Catherine nickte, aber sie schaute dabei düster. Und düster erklärte sie ganz unvermittelt: »Dann seid ihr also drei Tage und Nächte zusammen im Hotel.«
»Drei Tage und zwei Nächte«, erwiderte Matti.
Es sollte spaßig klingen, doch daß er schon genau die Zeit berechnet hatte, beunruhigte Catherine um so mehr. Sie wollte etwas sagen, nur kam sie nicht dazu, denn Matti erklärte schnell: »Außerdem sind wir nicht zusammen im Hotel, ich verstehe gar nicht, was du auf einmal hast.«
Seine vibrierende Stimme verriet das Gegenteil. Catherine drückte ihre Hände, kalt waren die, an seine Wangen und flüsterte: »Matti, verstell dich nicht, das kannst du nicht. Ich will mich auch nicht länger verstellen, Schluß mit diesem Theater, ich weiß doch, wie du dieser Frau nachgetrauert hast, Britta hat mir irgendwann alles erzählt. Und jetzt taucht sie wieder auf … Ich frage dich, muß ich Angst haben? Muß ich?«
Er kriegte, nachdem er angehalten worden worden war, sich nicht zu verstellen, einfach kein klares Nein heraus. »Nur ein klitzekleines bißchen vielleicht«, antwortete er in seiner dummen, dummen Ehrlichkeit.
»So«, sagte Catherine dumpf, »und so jäh, von einer Minute auf die andere. … Hör zu, Matti, hör zu: Wenn du noch einmal mit ihr schlafen mußt, wenn du das brauchst, um einen Abschluß zu finden, dann mach das. Nur erzähle mir nichts davon. Ich werde es sowieso merken. Aber wenn zwischen euch alles von neuem losgehen sollte, mußt du mir das sofort sagen, sofort, hörst du! Quäle mich nicht! Keine Hängepartie! Sag es und geh!«
Catherine nahm ihre Hände von seinem Gesicht und trat einen Schritt zurück. Matti schien, als schaue sie auf ihn schon wie auf einen Fortgehenden, das vertrug er nicht, das entlockte ihm einen kurzen gurgelnden Laut, und er stammelte: »Was erzählst du denn … davon kann überhaupt nicht die Rede sein … ich bin nur verwirrt … ein klein wenig … genauso wie du, weil sie so plötzlich sich gemeldet hat … der Abschluß wird stattfinden, du hast recht … es hat keinen gegeben, und deshalb … muß er stattfinden …«
»Müssen muß er nicht«, sagte Catherine wieder dumpf und ahnungsvoll.
»Du redest ja fast so, als wolltest du mich zu ihr treiben, laß das doch. Denk an heute nacht. Denk einfach an heute nacht.« Er dachte, indem er es sagte, selber daran, so bekamen seine Worte Überzeugungskraft. Und jetzt erklärte er auch noch: »Es wird nichts passieren, ich verbürge mich dafür.«
Das war nun doch schon mehr, als Matti eben noch hatte sagen wollen. Er erschrak beinahe ob dieser ihm herausgerutschten glasklaren Verpflichtung, aber Catherine schien halbwegs
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